Thea Djordjadze – november

Thea Djordjadze – november

Thea Djordjadze, november, Kölnischer Kunstverein, 2013, Installationsansicht, Courtesy Galerie Sprüth Magers, Foto: Albrecht Fuchs

Thea Djordjadze wurde 1971 in Tiflis, Georgien, geboren. Sie studierte Bildhauerei in der Klasse von Rosemarie Trockel an der Kunstakademie Düsseldorf. Von 2004 bis 2007 war sie Atelierstipendiatin des Kœlnischen Kunstvereins. Nun präsentiert der Kunstverein ihre erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland seit 5 Jahren. Wie häufig im Kunstverein handelt es sich um eine spezifische Neuproduktion, die unverwechselbar ist und in direkter Auseinandersetzung mit dem Ort entsteht.

Ein wiederkehrendes Element vieler Arbeiten Thea Djordjadzes sind schlanke Holz- oder Stahlprofilkonstruktionen. Die mehrfach Richtung und Länge wechselnden Verstrebungen erinnern an axonometrische Zeichnungen. Es sind geometrische Figuren, deren Geraden und Winkel aufgebrochen und verdreht wurden. Ihre Umrisse deuten nicht zu Ende gedachte Flächen und Volumen an. Teilweise machen sie den Eindruck seltsam gefalteter Umrisse von diversen Einrichtungsgegenständen. Die Strukturen funktionieren in Kombination mit Objekten, die aus Holz, Ton, Papiermaché und anderen Materialien hergestellt wurden. Hinzu kommen Teppiche oder Teppichbodenstücke, Glasscheiben oder zugeschnittene Platten. Die Fragmente sind durch lose Verfahren wie Stellen, Legen und Lehnen miteinander verbunden. Sie sind spekulativ, temporäre Anordnungen. Ihre Bemalung scheint provisorisch ausgeführt. Zum Beispiel, wenn dünn angerührter Gips oder unverdünnte Wandfarbe auf weiches Material wie Schaumstoff oder Teppichboden aufgetragen sind.
Djordjadzes Skulpturen erinnern teilweise an die Raumfaltungen der russischen Futuristen oder der De Stijl Gruppe, unterscheiden sich jedoch wieder deutlich von diesen durch biomorphe, manchmal surreal, manchmal folkloristisch wirkende Gestaltungselemente. Hinzu kommt ein fast erzählerischer Umgang mit dem Interieur als Motiv: Stuhl, Tisch, Bett, Paravent. Das visuelle Ausgangsmaterial für ihre Ensembles nimmt die Künstlerin im Design und der Architektur der von ihr durchreisten oder benutzten Umgebungen wahr. Dabei liefern vor allem der familiäre Zusammenhang in Georgien und die Reisetätigkeit als international ausgestellte, in Berlin lebende Künstlerin die topografischen Koordinaten dieser Rezeption. Es sind heterogene Raumkonzepte, deren Erfahrung die Künstlerin interessiert. Situationen, in denen Gebrauch, Improvisation und das Aufeinandertreffen diverser, oft gegensätzlicher kultureller Praktiken eine Rolle spielen. Djordjadze transplantiert Bilder und Gegenstände aus dem Zusammenhang ihrer ursprünglichen Funktions- und Erscheinungsweise heraus und überträgt sie in die spekulative Umgebung ihrer eigenen künstlerischen Arbeit. Kulturelle Realität und Widersprüche —die sich im Ausgangsmaterial als Normalität repräsentiert finden— werden in diesem Prozess wieder aufgelöst und neu verhandelt.

Die Moderne erscheint in Thea Djordjadzes Werk als Konstruktion, deren universalistischer Anspruch schon immer durch die Pluralität kultureller und geografischer Austauschverhältnisse relativiert ist. In einem Kino zeigte die Künstlerin anlässlich ihrer Ausstellung in der Kunsthalle Basel (2009) den Film “Das Salz Swanetiens” von Michail Kalatosow. Der Film dokumentiert den Zusammenprall von Modernisierung und Archaik in der postrevolutionären Sowjetrepublik Georgien. Sowjetische Filmemacher wollten die sozialistische Perspektive —auch bildsprachlich— in die durch patriarchale Traditionen geprägten Südränder der jungen Räterepublik tragen. Umgekehrt wurde aber die Filmsprache der jungen Revolutionäre durch die vorgefundenen sozialen und geografischen Strukturen ebenfalls verändert. Ein ähnliches Verhältnis wird in Djordjadzes Arbeit reflektiert, wenn sie einen folkloristischen Fransenteppich über eine axonometrische Holzkonstruktion legt. Auch das Ornament des Teppichs wird relativiert. Dessen Schmuckseite ist nach innen gefaltet; die ungewollt modern wirkende —weil herstellungsbedingt mechanistische— Rückseite bleibt dagegen sichtbar.

Søren Grammel, Kurator der Ausstellung

Freitag 15. Februar 2013
ab 19 Uhr Eröffnung der Ausstellung
außerdem
ab 20 Uhr Konzert
Alfons Knogl mit Daniel Ansorge & Holger Otten
The World In Pieces
danach Party mit DJ Korkut Elbay

Die Ausstellung wird gefördert durch
Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West, Jahrespartner 2013
und
Kunststiftung NRW