CHRIS KORDA
Artist’s Con(tra)ception
25.5.–14.7.2024
Eröffnung: Freitag, 24.5., 18–21 Uhr, Ansprache um 19 Uhr
Kreisch! Chris Korda is in the house. Ungeheuerlich, unerträglich, unfassbar gut. Korda wurde 1992 von einem seltsamen Traum heimgesucht, in dem eine außerirdische Intelligenz namens „Das Wesen“ behauptete, in einer anderen Dimension für die Menschen zu sprechen. Es warnte vor dem Zusammenbruch des Ökosystems unseres Planeten. Als Korda aus dem Traum erwachte, sagte sie: „Save the Planet – Kill Yourself“.
Kordas Mission gründet auf der Überzeugung, dass der Mensch, ein egozentrischer Zerstörer, in seine Grenzen gewiesen werden muss. „Danke, dass sie sich nicht fortpflanzen“, lautet die an den guten Willen appellierende Empfehlung. Meine DNA reiche ich nicht weiter, ich steige aus dem Genpool aus. Schluss mit anthropozentrischer Hybris. Wer aus freien Stücken aus dem Leben scheiden möchte, soll das tun dürfen – und leistet nebenbei einen sinnvollen Beitrag. Die Möglichkeit der Abtreibung ist ein Segen. Sex ist wunderbar, solange er nicht der Reproduktion dient. Wer unbedingt Fleisch essen will, nur das der eigenen Gattung – man tötet keine anderen Lebewesen. Die Empfehlungen der 1992 in Boston von Reverend Chris Korda gemeinsam mit Pastor Kim gegründeten Kirche, der Church of Euthanasia, lassen vielen die Haare zu Berge stehen. Allein der Name der Glaubensbewegung führt zur Verkrampfung der Gesichtszüge. Die Empfehlungen zur Dezimierung der Art Homo Sapiens sind extrem, teilweise widersprüchlich und streitbar.
Schönreden muss man den Namen der Kirche nicht, aber im Hintergrund haben, dass die CoE auf Freiwilligkeit, einem anti-autoritären Ethos beruht.
Die CoE rief Korda ins Leben, da eine Kirche, anders als eine politische Partei, in der Lage ist, ethische Normen neu zu gestalten. Einige ihrer Taktiken sind verwandt mit denen der Situationisten und der Dadaisten: Auch Kordas Aktionen treten in offene Situationen, Strategien werden immer wieder überraschend geändert; die Zungen, in denen sie spricht, sind unversöhnlich und Widersprüche zugelassen. Gleichzeitig bleibt ihr provozierendes Tun immer spielerisch.
Was Chris Korda bereits Anfang der 1990er propagierte, weil sie die irreversiblen Entwicklungen menschlicher Umweltzerstörung erkannte, war ihrer Zeit voraus: vegan zu leben, die Grenzen des Wachstums zu respektieren und die Vielfältigkeit aller Arten zu proklamieren.
Korda ist aber nicht nur Reverend. Sie ist vieles und in erster Linie aktiv als Musikerin. Sie gilt als eine der eigensinnigsten und schroffsten Positionen des Techno. In Europa erlangte sie Ende der 1990er Jahre erstmals Präsenz durch DJ Hell aus München mit seinem Label International Gigolo Records.
Jetzt hier erhältlich:
Official Church of Euthanasia T-Shirt
ADAGIO FOR COLOR FIELDS Chris Korda, Publikation von Goswell Road, Paris
Die Ausstellung wird unterstützt durch:
Mit besonderem Dank an: Anthony Stephinson und Coralie Ruiz von Goswell Road, Paris; Matthias Sohr; Blandine Houtekins, Le Confort Moderne, Poitiers; Alex Sinh Nguyen; Wolfgang Voigt, Veronika Unland; Hans-Christian Dany; Moch Figuren, Köln.
Amanda van Hesteren
If All This Was Fiction: Films 2016–2023
Filmprogramm im Kino des Kölnischen Kunstvereins, kuratiert von Nicholas Tammens
Eröffnungsabend: Freitag, 12.4., 18 Uhr
18:30 Uhr Screening Filme
19:30 Uhr Gespräch zwischen Amanda van Hesteren und Nicholas Tammens in englischer Sprache
20:30 Uhr Wiederholung Screening
Amanda van Hesteren – If All This Was Fiction: Filme 2016–2023 im Kölnischen Kunstverein ist die deutschlandweit erste Präsentation von Filmen der niederländischen Filmemacherin Amanda van Hesteren (geb. 1991, Amsterdam). Das Programm zeigt die Entwicklung von van Hesterens Methodik als Filmemacherin in den letzten acht Jahren anhand von vier Filmporträts, die sich auf Flirts, Familie und Freund:innen konzentrieren.
Amanda van Hesteren fand mit 23 Jahren zum Filmen, als sie eine Kamera in den Urlaub nahm. „Ich nahm meine Kamera mit, weil ich Geschichten finden wollte“, erzählt sie. „Mir war klar, dass ich sie direkt auf der Straße finden würde“. In den acht Jahren, die seither vergangen sind, hat van Hesterens Kamera gleich mehrere Perspektiven eingenommen: ihren eigenen Blick, den ihrer Protagonist:innen und den Blick des Stand-Ins sowie außenstehender Beobachtender.
Das Filmprogramm wird gefördert von:
Kölner Architekturpreis 2024
Di., 9.4. – Sa., 13.4., je 11–18 Uhr
So., 14.4. 11–16 Uhr
Eintritt frei
Weitere Informationen
Eröffnung: Freitag, 2. Februar, 18 Uhr
Marie Angeletti, Monika Baer, BLESS, Vittorio Brodmann, Jakob Buchner, Milena Büsch, Merlin Carpenter, Matthias Groebel, Fischli Weiss, Hansi Fuchs, Sophie Gogl, Hamishi Farah, Jacqueline Humphries, Dozie Kanu, Nora Kapfer, Morag Keil, Emil Michael Klein, Maggie Lee, Lorenza Longhi, Alan Michael, Kaspar Müller, Vera Palme, Gunter Reski, Jean-Frédéric Schnyder, Dennis Scholl, Nolan Simon, Dominik Sittig, Lucie Stahl, Megan Francis Sullivan, Alfred d’Ursel, Amelie von Wulffen, Jie Xu, Barbara Zenner, Damon Zucconi
Vor dieser eckigen Leere könnte alles werden. Der Horizont des Möglichen scheint offen. In jedem Moment wird ein Einfall durch das Bewusstsein zucken und alles auf die Leinwand bringen. Es könnte noch besser kommen, wenn der Pinsel nur anfinge und sich das Bild wie im Schlaf ohne mich malte. Die Leere leuchtet verheißungsvoll, aber das sind Augenblicke. Schon der erste Strich ruiniert, was gerade noch vorstellbar war. Er zeigt das Lächerlichste. Und mit jedem weiteren Strich geht es weiter bergab. Der eine wirkt müde und jener, der ihn zu wecken versucht, kommt doch nur aus der Trickkiste der Effekte. Die Konservierung des Konservierten dreht sich wie auf einem alten Jahrmarktkarussell. Was tun, wenn alle Würfel schon im letzten Jahrhundert geworfen wurden? Zögern und Zaudern, kleine Bilder, Riesenbilder, Abstraktion und Sumpf der Ambition, Formalismus, Figuration, Tornados von Pigmenten oder Minimal, Flirts mit Technologie. Es ändern sich Inhalte und Bezüge, aber ihre Form bleibt am Boden kleben, als sei er mit einer fiesen Flüssigkeit bedeckt. Das Emoji aus Öl versucht sich zitternd aus dem Sumpf zu heben und zieht dabei lange Fäden wie ein Kaugummi. Pinselstriche als Identitätskrisen, wie geplatzte Kaugummiblasen auf den Lippen Fäden ziehen.
Kuratiert von Valérie Knoll.
Die Ausstellung wird großzügig gefördert durch:
Bild: Paul Coker Jr.
Eröffnung: Freitag, 1. Dezember, 18 Uhr
Marie Angeletti, BLESS, Milena Büsch, Peter Fischli, Sylvie Fleury, Ryan Gander, Lorenza Longhi, Kaspar Müller, Vera Palme, Gunter Reski, Franz Erhard Walther, Nicole Wermers, Amelie von Wulffen, Barbara Zenner
Bestellungen der Jahresgaben 2023 können ab dem 1. Dezember 2023 bis einschließlich 17. Dezember 2023 schriftlich eingereicht werden. Gehen mehr Bestellungen ein, als Exemplare vorhanden sind, entscheidet das Los. Die Verlosung findet am 18. Dezember 2023 statt. Nach Auslosung des/der Käufer:in werden alle Interessenten über das Ergebnis der Auslosung schriftlich per E-Mail benachrichtigt. Alle verbliebenen Jahresgaben stehen nach der Auslosung weiterhin zum Verkauf und können jederzeit erworben werden.
Die Jahresgaben und Editionen sind ein exklusives Angebot ausschließlich für die Mitglieder des Kölnischen Kunstvereins. Weitere Interessenten sind durch Eintritt in den Kölnischen Kunstverein im laufenden Kalenderjahr zum Erwerb berechtigt.
Bitte beachten Sie unsere Bestellbedingungen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Bild: Lorenza Longhi
Marie Angeletti, Monika Baer, BLESS, Vittorio Brodmann, Jakob Buchner, Milena Büsch, Merlin Carpenter, Matthias Groebel, Fischli Weiss, Hansi Fuchs, Sophie Gogl, Hamishi Farah, Jacqueline Humphries, Dozie Kanu, Nora Kapfer, Morag Keil, Emil Michael Klein, Maggie Lee, Lorenza Longhi, Alan Michael, Kaspar Müller, Vera Palme, Gunter Reski, Jean-Frédéric Schnyder, Dennis Scholl, Nolan Simon, Lucie Stahl, Megan Francis Sullivan, Alfred d’Ursel, Amelie von Wulffen, Jie Xu, Barbara Zenner, Damon Zucconi
Die Künstliche Intelligenz macht große Schritte, generative Systeme erreichen neue Ebenen der Bild- und Textproduktion. Was bedeutet es für die Malerei, wenn sie von rechnenden Robotern hergestellt werden kann?
In der Vergangenheit bildeten technologische Sprünge oft der Beginn langer Phasen revolutionärer Häutungen der Kunst. Vor den Sprüngen konnte sich der Mensch noch einbilden, er besitze das Privileg, etwas zu können. Danach, plötzlich überholt von der Technologie, musste er sich nach der Decke strecken. Der Impressionismus verdankte sich den Wechselwirkungen mit der Erfindung der Fotografie und vieles in der postmodernen Malerei wurde angeregt durch die Erfahrung mit dem Computer. Gerade scheint wieder der Beginn einer solchen Phase auf, in der sich die menschengemachte Kunst an ihrem technologischen Spiegel abarbeiten muss. Was können diese Maschinen und wo kommen sie an ihre Grenzen? Mit der Frage, wie er sich von ihr unterscheidet, und der Suche nach seiner Nische schaut der Mensch durch die Maschine auf sich selbst.
Kuratiert von Valérie Knoll
Die Ausstellung wird großzügig gefördert von:
Bild: Mareike Tocha
Mit Marie Angeletti, Monika Baer, BLESS, Vittorio Brodmann, Jakob Buchner, Milena Büsch, Merlin Carpenter, Hamishi Farah, Fischli Weiss, Hansi Fuchs, Sophie Gogl, Matthias Groebel, Jacqueline Humphries, Dozie Kanu, Nora Kapfer, Morag Keil, Emil Michael Klein, Maggie Lee, Lorenza Longhi, Alan Michael, Kaspar Müller, Vera Palme, Gunter Reski, Jean-Frédéric Schnyder, Dennis Scholl, Nolan Simon, Lucie Stahl, Megan Francis Sullivan, Alfred d’Ursel, Amelie von Wulffen, Jie Xu, Barbara Zenner, Damon Zucconi
„Hoi“ sagen die Menschen, dort wo ich herkomme, wenn sie sich auf der Straße begrüßen. Nach Köln bin ich gekommen, da ich die Malerei liebe und ich keinen besseren Ort für die Auseinandersetzung mit diesem Medium wüsste. Darum begrüße ich diesen Raum mit einem Überblick über die Gegenwart einer der ältesten Gattungen der bildenden Kunst. Aufregend ist die Malerei gerade jetzt, nicht etwa wegen meiner Leidenschaft, sondern da wieder ganz viel gemalt wird und die offenen Fragen der Kunst erneut in Bewegung geraten sind. Das heißt nicht, die Fortsetzung der Malerei wäre ein leichtes Spiel. Auf ihrer neuen Blütezeit lastet wie ein hartes Gericht der lange Schatten ihrer Geschichte. Die Probleme kommen aber nicht nur von hinten, sie kommen auch von vorne. Da sich die Malerei langsam entwickelt, benötigt sie die Vorstellung einer ewigen Zukunft, in der ihre schleichenden Bewegungen irgendwann einmal ankommen können.
Gerade wirkt die Aussicht auf das Kommende nicht nur verhangen; es ist schwierig geworden, sich die Zukunft überhaupt vorzustellen. Wird vielleicht in der Hoffnung gemalt, dass jene Zukunft, die im Nebel der Dystopien und Untergangsszenarien kaum noch zu erkennen ist, wieder aufscheinen wird? Gegen das Gefühl einer bröckelnden Kontinuität weiterzumalen kann auch als Ausdruck eines „Prinzip Hoffnung“ betrachtet werden, das gewillt ist, gegen alle Widerstände einer Welt, die sich für das Dunkel entschieden hat, ein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Malen wäre dann ein Handeln gegen den Strich, das mit einem zarten Lächeln aus der gesellschaftlichen Übereinkunft herausschwimmt.
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Kuratiert von Valérie Knoll
Hoi Köln, Teil 1: Begrüßung des Raumes wurde durch den Kölner Kulturrat in der Kategorie „Kulturereignis des Jahres 2023“ für den Kulturpreis nominiert.
Die Ausstellung wird großzügig gefördert von:
Bild: Basel Tourismus/Peter Ziegler
In ihrer ersten institutionellen Ausstellung in Deutschland, ram spin cram (rammen drehen stopfen), präsentiert Marie Angeletti (*1984) neu geschaffene Werke im gesamten Gebäude des Kunstvereins.
Präzise artikuliert, erhält jedes Element — Skulptur, Photographie und Video — die gleiche Aufmerksamkeit. ram spin cram beginnt nicht in der Haupthalle und endet in den letzten Räumlichkeiten im Obergeschoss, sondern ist überall gleichzeitig zu erleben. Jeder Raum kann als eine Abfolge von Aktionen gelesen werden, die sich im Laufe der Zeit angehäuft haben. In der Haupthalle sind Werke aus den vergangenen zwei Monaten zu sehen. Im Kinosaal, im Ober- und Untergeschoss hat Angeletti Werke, die aus einer nicht näher bestimmten Periode stammen, neu arrangiert.
Danke an Nikola, Stefan, Line, Gianna, Henrik, Gérard, Anne, Anna, Olga, John, Michele, Dora, Matt, Tonio, Jakob, Lucas, Richard, Annie, Daniel, Jordan, Seb, Medhi, Toni, Pippa, Tim, Marco, Varun, Sol.
Danke Istal, Marseille, für die Finanzierung der Produktion der Metallpfeiler und Quadrissimo, Marseille, für die Silbergelatinedrucke und Daniela Taschen, die mich in Köln untergebracht hat.
Marie Angeletti (*1984, Marseille, lebt in New York) hatte u.a. Ausstellungen im Centre d’edition contemporain in Genf; im Künstlerhaus Bremen; Musée de la ville de Paris, Paris; Le Consortium, Dijon; im Kunsthaus Glarus; in der Kunsthalle Zürich; Treize, Paris; Castillo/Corrales, Paris und den Galerien Lars Friedrich, Berlin; Edouard Montassut, Paris; Reena Spaulings und Greene Naftali, New York.
Kuratiert von Nikola Dietrich
Die Ausstellung wird gefördert von:
Die Ausstellung zeigt historische und zeitgenössische Werke von Künstler:innen, die in der Geschichte der Kunst kaum Beachtung fanden und deren Teilnahme an der Gesellschaft und im Kunstbetrieb, beispielsweise durch Vormundschaft, Entzug des Wahlrechts oder Diskriminierung eingeschränkt wurde und noch immer wird. Damit geht einher, dass meist keine stabile institutionelle Verankerung oder größere (Kunst-) Netzwerke und Supportsysteme verfügbar sind. Gängige Kategorisierungen, wie Outsider Art oder Art Brut, mit der parallelen Hervorhebung ihrer angeblichen Unterscheidungsmerkmale, die bislang häufig als Narrative von spontan vs. geplant, angeboren vs. erlernt, naiv vs. anspruchsvoll, oder etwa primitiv vs. modern gelesen werden, sind heute als überholt anzusehen und kritisch zu hinterfragen. Die Ausstellung möchte daher auch ein anderes Verständnis hinsichtlich etablierter Denkweisen der Kunstwelt und eine selbstverständlichere Ausstellungspraxis beziehungsweise Repräsentation bezüglich künstlerischer Praktiken erreichen.
Die im Kölnischen Kunstverein gezeigten Künstler:innen tauchen in ihren Werken in selbstentfremdende Rollenspiele ab, in denen sie andere Identitäten annehmen und eine Verwandlung – bis hin zur Tierwerdung – stattfindet. „Ich bin ein verdammter Jäger, aber ich weiß, dass es Unfrieden macht. … Ich muss es [das Unruhige] überdecken, damit ich weiter in der Gesellschaft überhaupt existieren kann“, sagte die Künstlerin Rabe perplexum (in „Experimente, Der unbekannte Künstler“, 1987), die in ihren Werken und Leben die Rolle eines Raben annimmt.
Es geht nicht darum, die hier vorgestellten Künstler:innen mit ihrer künstlerischen Praxis als gesellschaftlich ausgegrenzt zu positionieren, als Künstler:innen die hinter scheinbarer Weltabgewandtheit verdrängte Realitäten ausbreiten oder unterdrückte Sehnsüchte entfalten, viel mehr zeigt die Ausstellung, wie sie ganz bewusst mit ihren Abhängigkeiten arbeiten. So entwarf beispielsweise Adelhyd van Bender ein großes und vielschichtiges Werk, das die Welt in mathematische Formeln zerlegt und – durch Assoziationsketten mit biografischen Angaben verschränkend – eine neue Ordnung bildet. Als Vorlage für seine mehrfach kopierten und überarbeiteten Zeichnungen verwendete er häufig an ihn gerichtete Briefe von Ämtern, die von seinem steten Kampf gegen die Verlängerung seiner Vormundschaft zeugten.
Häufig positionieren sich diese Künstler:innen inmitten der Gesellschaft, genau in die Kunst-Unorte und Zwischenräume hinein, in der eine größere Öffentlichkeit vorzufinden ist, um sich zu ihr zu verhalten und mit einer ihnen jeweils eigenen Selbstverständlichkeit Kritik an ihr zu üben. Indem die Künstler:innen gesellschaftliche Konventionen, Normen und dominierende Traditionen verlassen und Gesellschafts- beziehungsweise Geschlechterinszenierungen unterminiert werden, stoßen sie häufig auf Unverständnis. So auch die Künstlerin Helga Goetze, die in den 70er Jahren aus einem konventionellen Lebensentwurf ausbrach und später vor der Gedächtniskirche in Berlin fast täglich freie Liebe, Sex und weibliche Lust propagierte.
Das radikale Potenzial der hier zusammengekommenen Werke liegt darin, uneingelöste politisch-soziale Versprechen einzufordern und, wie beispielsweise Dietrich Orth in einem der Ausstellung titelgebendem Werk anklingen lässt, Anleitungen und Vorschläge zu einem besseren, gerechteren Umgang miteinander zu geben. Aus ihnen wird eine tiefe, in die Zukunft weisende Sehnsucht erkennbar, die auch als Kritik an der Gegenwart verstanden werden kann.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Nikola Dietrich und Susanne Zander.
Mit den Künstler:innen Adelhyd van Bender, Klaus Beyer, Lee Godie, Helga Sophia Goetze, Margarethe Held, Dietrich Orth, Albert Leo Peil, Rabe perplexum, William Scott, Wendy Vainity und August Walla.
Abbildung: William Scott, Untitled, 2013, Courtesy of The Museum of Everything
Die Ausstellung wird gefördert von:
Weitere Unterstützung: Jan Fischer, Unternehmer und Förderer des Kölnischen Kunstvereins sowie der NRW Kunstvereins-Landschaft
mit Rosa Aiello, Genoveva Filipovic, Calla Henkel und Max Pitegoff, Manfred Holtfrerich, Erika Landström, Luzie Meyer, José Montealegre, Dala Nasser, Daniela Ortiz, Thomas Ruff, John Russell, Jasmin Werner
Eröffnung der Ausstellung: Samstag, 12.11.2022, 19 Uhr
Bestellungen der Jahresgaben 2022 können ab dem 12. November bis einschließlich 04. Dezember 2022 schriftlich eingereicht werden. Gehen mehr Bestellungen ein, als Exemplare vorhanden sind, entscheidet das Los. Die Verlosung findet am 05. Dezember 2022 statt. Nach Auslosung werden alle Interessent:innen über das Ergebnis per E-Mail benachrichtigt. Alle verbliebenen Jahresgaben stehen nach der Auslosung weiterhin zum Verkauf und können jederzeit erworben werden.
Die Jahresgaben und Editionen sind ein exklusives Angebot ausschließlich für die Mitglieder des Kölnischen Kunstvereins. Weitere Interessenten sind durch Eintritt in den Kölnischen Kunstverein im laufenden Kalenderjahr zum Erwerb berechtigt.
Bitte beachten Sie unsere Bestellbedingungen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Die Ausstellung wird gefördert von:
Eröffnung: Freitag, 19.8.2022, 19 Uhr
In seiner ersten institutionellen Einzelausstellung Nervous System im Kölnischen Kunstverein setzt José Montealegre seine 2020 begonnene Werkserie Páginas fort. Ausgangspunkt für diese Skulpturen ist ein umfangreiches botanisches Archiv mit Pflanzenabbildungen, das im Zuge der spanischen Kolonisierung Mexikos entstand und als Nova Plantarum Animalium et Mineralium Mexicanorum (1628) veröffentlicht wurde. Es umfasst Hunderte von indigenen Pflanzen, die von den Kolonisatoren katalogisiert und neu systematisiert wurden. Detailreich übersetzt Montealegre diese botanischen Illustrationen in Kupferskulpturen und präsentiert sie im zweiten Stock des Kunstvereins. In seiner künstlerischen Praxis, die auch das Schreiben umfasst, entwirft der Künstler Erzählungen, die die Grenze zwischen Herkunft und (Fehl-)Übersetzung verwischen. Entgegen dem von Kolonialmächten geprägten Wissen lässt Montealegre marginalisierte Perspektiven auftauchen und fordert so kanonische Geschichte(n) heraus.
Der Ausstellung folgt die erste Publikation von José Montealegre.
Methodologien I
Eins. Wie ein Protagonist einer Comic-Zeichnung, der in die rotierende Schnauze einer Gänsehaut-Stadt aus Beton wie zum Beispiel New York eintaucht, schnappt meine messingbeschlagene, lederne Aktentasche auf und alle meine Papiere fliegen weg. Jetzt bin ich spät dran. Jetzt bin ich arm. Jetzt habe ich Träume. Jetzt fliegen sie weg.
Zwei. Es ist furchtbar offensichtlich, dass jedes Gespräch über die Methodologien der Kunst mit dem Leben beginnt und sicher auch endet. Beginnt, weil es die Quelle ist, die den Brunnen anzapft. Endet, weil aufgeblähte Goldfische die Beute der Falken sind.
Drei. Dokumentenwirbelsturm. Scherenschnitt-Stadt. Der Nerv, die Nerven, nervöse Nerven aus Stahl. Der Tornado aus Seiten wirbelt Ordnung und Logik durcheinander und versetzt damit das Geschäftsgespräch in einen unverständlichen Schwebezustand, wo die Bürokratie keinen Halt findet und die Rankpflanze keine Wurzeln schlagen kann. Vielleicht hast du eine Nervenzelle, die fehlzündet.
Vier. Daraufhin wird mir klar, dass das, was gesucht wird, nicht zufällig sein kann. Eine Person, die das Loch in ihrer Tasche nicht stopft, nennt man Wohltäter:in.
Fünf. Es ist der sich drehende Papierzyklon, der mein Leben so zerstört hat, der Ort der Selbstauflösung der Welt. Wo das Unsichtbare nicht nur gesehen wird, sondern sich verwandelt. Die schwebenden Papiere werden zu Kugeln zerknüllt. Sie enthalten, verbergen und machen Informationen unbrauchbar. Es ist wie der Blick in den Brunnen und den goldenen Meniskus sehen, der das Licht bricht, die gegossene und verwelkende Blüte, die sanft auf die Wasseroberfläche fällt und vom Wind umhergeweht wird, der Goldfisch, der unbeholfen, wenn nicht gar anmutig schwimmt, und die Kralle, die ihre Ruhe bricht und sich ins Wasser stürzt und den Goldfisch in eine andere ekstatische Welt trägt.
Sechs. Im Mai 2020 lud ich eine digitale Kopie der Nova Plantarum Animalium et Mineralium Mexicanorum (1628) von Biodiversitylibrary.org auf einen USB-Stick herunter. Dann brachte ich diesen USB-Stick zu einer Druckerei für Studierende. Dort druckte ich sie in Schwarzweiß auf Recyclingpapier aus. Mit ledergebundenem Einband und allem Drum und Dran. Der 1.104 Seiten starke Dokumentenstapel enthält Hunderte von Zeichnungen von Pflanzen und Tieren aus dem heutigen Mexiko und Mittelamerika. Jede Zeichnung wird von einem Namen auf Nahuatl begleitet, der von den Imperien verstreut wurde, und einem lateinischen Namen, der von der modernen Botanik neu interpretiert wurde. Seit ich diese Version der ‚Nova Plantarum‘ gedruckt habe, blättere ich das Buch fast jeden Tag durch. Ich sehe mir die Pflanzen an und erkenne sie manchmal sofort. Manchmal dauert es aber auch Monate, bis mir klar wird, dass ich sie schon einmal gesehen habe, doch die meisten bleiben mir unbekannt. Wenn ich ihren Namen google, finde ich nichts. Nur durch diese Zeichnungen vertraut, sehe ich vage Möglichkeiten in der Landschaft. Wenn mir danach ist und wenn ich merke, dass ich sie bildhauerisch kenne, mache ich eine Skulptur der Zeichnung. Bis jetzt habe ich etwa achtzig Pflanzenskulpturen gemacht. Es sind noch Hunderte übrig. Jedes Mal, wenn ich die schwarz-weiße Druckausgabe dieses Buches durchblättere, schaffe ich darin eine neue Ordnung. Der Ledereinband befindet sich jetzt in der Mitte des Buches übersät von Kritzeleien und Notizen. Die Seitenabfolge ist unlogisch und irrelevant geworden. Die Seitenzahlen überspringen Hunderte. Ich habe Seiten verloren. Ich habe sie zerknittert. Ich habe Flecken hinterlassen.
Text: José Montealegre (Übersetzung: Kathrin Heinrich)
Methodologien II
Eins. Betrachten
Erster Blick an die weiße Wand, zweiter Blick auf den gefliesten Boden. Sich umschauen. Hinunterschauen. Geh auf die Knie. Geh näher heran. Entdecke. Wiederhole.
Zwei. Beanspruchen
Im Jahr 1517, während der spanischen Kolonisierung Amerikas, wurde der Naturforscher und Arzt Francisco Hernández de Toledo auf die erste wissenschaftliche und botanische Expedition geschickt. Das Ergebnis der siebenjährigen Expedition war ein umfangreiches botanisches Archiv in Form eines illustrierten Manuskripts mit schematischen Zeichnungen, die bei Nahua-Malern in Auftrag gegeben worden waren. In Folge wurde es im Kloster Escorial aufbewahrt, vom italienischen Mediziner Nardo Recchi umstrukturiert, ging bei einem Brand teilweise verloren und wurde schließlich 100 Jahre später unter dem Titel Nova Plantarum, Animalium, et Mineralium Mexicanorum historia im Jahr 1628 veröffentlicht.
Drei. Wissen
Sehen, Benennen, Wissen. Die Pflanzennamen im Buch sind sowohl in Nahuatl als auch in Latein angegeben. Da jedoch die Bezüge durch Aneignung, Erwerb und Übersetzung teilweise verloren gegangen sind, ist der Versuch, eine Entsprechung in der heutigen Botanik zu finden, nicht immer erfolgreich. Als wir durch die Kölner Innenstadt gehen, sehe ich eine auffallend dominante Pflanze, die den Bordstein durchbrochen hat. „Ist dir nicht aufgefallen, dass Pflastersteine in deutschen Städten immer bogenförmig verlegt sind?“, fragt er. Denken durch Handwerk.
Vier. Erzählen
Im Jahr 2013 besuchte ich José Montealegre zum ersten Mal in seinem Atelier. Er war gerade von Managua nach Frankfurt am Main gezogen, um sein Studium an der Städelschule in der Klasse von Willem de Rooij zu beginnen. Ich erinnere mich, wie ich Plattformen aus Kacheln auf niedrigen Sockeln auf dem Boden, auf denen Miniatur-Dschungelwelten aus Ton zu sehen waren, betrachtete, oder besser gesagt, beobachtete, an Reliefs von winzigen Skeletten an der Wand neben gerahmten, historisch anmutenden Buchseiten. Es war eine Überraschung, als ich herausfand, dass diese Dokumente fiktiv waren: Digitaldrucke auf leeren Seiten, die aus gebrauchten Büchern herausgerissen worden waren. Überschreiben von Geschichten. Geschichte neu schreiben. Die Erzählung zurückgewinnen.
Fünf. Ausweiten
Montealegres Werke haben das Potenzial, sich über ihre Ränder hinaus auszudehnen. Wie vier rechteckige Ausschnitte einer größeren Umgebung scheinen sie zu wachsen, sich zu entwickeln, sich zu reproduzieren. Im Außenraum reflektieren die spiegelnden Oberflächen der Plastikbehälter, die in Honduras zum Auffangen von Regenwasser und zur Handwäsche von Kleidung verwendet werden, ihre Umgebung. In den Buntglas-Quadraten klingen die Einflüsse der katholischen Ikonographie sowie des Kunsthandwerks und ihre alles vereinnahmende europäische Erzählung nach. Die Renaissance in Europa brachte nicht nur das Konzept der Perspektive in der Kunst mit sich, sondern auch die koloniale Expansion.
Sechs. Zusammenbrechen
Was Kupfer und Nerven gemeinsam haben, ist, dass beide elektrische Überträger sind. „Vertrau mir nicht, ich sage nicht die Wahrheit“, sagt er. Zittern und Beben. Wissen und Macht neu strukturieren. Rückkehr der Handlungsfähigkeit.
Text: Miriam Bettin (Übersetzung: Kathrin Heinrich)
Kuratorin: Miriam Bettin
José Montealegre(*1992 in Tegucigalpa, Honduras) lebt und arbeitet in Berlin. Er studierte Philosophie und Literatur an der Universidad Centroamericana de Managua, Nicaragua, und bei Willem de Rooij an der Städelschule in Frankfurt am Main. Seine Arbeiten wurden in Einzelausstellungen in der Klosterruine in Berlin, bei Mountains in Berlin (beide 2021), Convent Art Space in Gent (2019) und in Gruppenausstellungen u.a. im Lantz’scher Skulpturenpark Lohausen in Düsseldorf (2021), Städelmuseum in Frankfurt am Main, bei Natalia Hug in Köln (beide 2019), Futura Gallery in Prag, Gillmeier Rech in Berlin (beide 2018) und in der Kunsthalle Darmstadt (2017, 2014) gezeigt. Parallel zur Einzelausstellung im Kölnischen Kunstverein ist eine von José Montealegre und Rebekka Seubert kuratierte Gruppenausstellung im Dortmunder Kunstverein zu sehen (bis 30.10.2022).
Unterstützt von:
Eröffnung: Freitag, 19.8.2022, 19 Uhr
Hallo … hallo … wuff wuff wuff!
Meine Augen sind wie wässrige „Pools der Liebe“, den Tränen nahe, so kurz vor deiner Ankunft, wo ich hier oben stehe und warte… wuff wuff! Die Treppe hinuntersehe zu dir. … ein koketter Mischling.
„Haaaaallo“, sagst du, während du die Treppe hochkommst, „Oh, du bist ja süß… was sollen wir zusammen machen?“
Und da schwingt etwas in meiner Gestik mit, in der halben Drehung meines Körpers, in der gefälligen Neigung meines Kopfes, in meiner leicht schrägen Haltung, in der geschickt gemalten Feuchtigkeit meiner Nase, in der handgearbeiteten Verführung meiner Locken und des Fells, selbst in der Andeutung eines koketten Lächelns, das um den Winkel meiner Schnauze spielt…
Wuff wuff!
Oh listige Nötigung!
Oh ausgefeilte Anspielung!
Und dann, während ich neben dir hertrotte, als dein Geisttier, wir den Hauptausstellungsraum betreten und den Duft von Pinien und vielleicht Sandelholz einatmen – Reinigungsmittel oder vielleicht Raumspray. Wuff wuff wuff! Und unter unseren Füßen der saftige Glanz von Spiegelbeton.
„Oh, das ist erstaunlich!“, rufst du, als das Licht zu dir hereinbricht.
Der klaffende Einschnitt, hinunter bis zu Gesteinsbrocken, die Ansicht eines Wasserspektakels, einer Kluft inmitten verwobener Strudel aus Wellen, Wolken, Kliffen, Himmeln und überfluteter Architektur; barocke Loops aus flüssiger Verführung, wässrigem Tod und sonnenbeschienenen Kräuselungen. Der Horror der „Abbildung“, gezierte perspektivische Vortäuschung, die krude Aufforderung zur Darstellung des Bodens um der Darstellung Willen mit ihren Tricks und Rückwendungen und sich an der Oberfläche bewegenden Re-Animationen; Glanz und Glamour vermischen Sehnsucht mit Phantomen, wie Hochwasser oder Flut; „gearbeitet mit zeitaufwändiger Technik und Fertigkeit“ …wuff wuff! Ein Entwurf für schimmernde Oberflächen und Tiefen, offensichtlich verdichtet und vollgestopft mit Abstraktionen, immer nur einen Millimeter dick; schelmisch die mörderische Ideologie der „verführerischen Oberflächen und verborgenen Tiefen“ kritisierend.
Und währenddessen fühlt sich der Glanz auf meinen Pfoten so seltsam an. Ich jaule etwas und ihr alle lacht: „Oh, du bezauberndes Hündchen!“
Und als wir auf Zehenspitzen über den Boden des ehemaligen Gebäudes des British Council laufen, in dem sie einst britische Hochkultur aus der Zeit des Kalten Krieges präsentiert und gefördert haben. Oh, mein Hundeherz! Einerseits ist das ein ähnlich triviales Repräsentations-Spektakel … aber andererseits … nein … immer das! Immer nur das!
„Ha ha ha ha“, lachst du, als wir unseren Weg über den Graben fortsetzen. Und weiter hinten, horizontal und vertikal ausgerichtet, ist eine Reihe von Fliegenskulpturen über die Spannbreite hin angeordnet – eine Reihe von Satzzeichen, von schwarzen Punkten. Eine von ihnen ist vielleicht, mitten im Flug vor einer Blume eingefroren, eine Art „Anti-Biene“ … nicht die fröhliche, pelzige, orangefarbene, ökologische Bestäuberin, deren Summen erfreut, sondern eher Zeichen von Tod und Verfall nach Art des niederländischen Stilllebens, oder einfach nur das Geschmeiß, das sich im Dreck drängelt. Wuff wuff wuff! Oder bei näherer Betrachtung … bei näherer Betrachtung … Rorschach-Tintenkleckse … vielleicht kann man den Kopf von Max Wall entdecken, englischer Varieté-Star, berühmt für seine Rolle als Professor Wallofski, komödiantische Klaviereinlagen und Auftritte in Beckett-Stücken.
Oder vielleicht kann man mich in der Fliege erkennen, meine hinreißende Form ausmachen in … einer Cavafloo? Oder womöglich in einem bezaubernden Cavaflooloolooolooo, um vielleicht den Klang eines Singvogels zu imitieren. Wie auch immer….
„Cavafloolooloo…“ rufen wir aus, als wir weitergehen.
Während ich neben dir hertrotte, bei Fuß. Freudig. Mit einem Anschein von Liebe, wenn du zu mir runterschaust. Hüpfe ich die Treppen hinunter und stolpere mit einem Mal, ein Bündel Fell purzelt nach unten. Komme wieder auf die Füße. Zu viel der Säfte! Zu viel des Lebens!
„Wuff wuff … folge mir … hier unten“, rufe ich. So ein süßer Tour-Guide. Und abwärts.
„Oh, das ist wunderbar!“, tönst du.
Und so gehen wir hinunter in das Untergeschoss, das nur teilweise zugänglich und mit einem Seil abgesperrt ist. Ein Ziegenbock. Vom höheren Foyer aus erblickt. Und eine weitere Fliege, die auf dem Augenlid des Bocks sitzt (eine historisch ekstatische Fliege! Die gleiche Fliege, wie sie auf dem Augenlid von Margaret Thatcher saß, als sie starb).
Der Ziegenbock – das wohl am meisten verdammte Geschöpf, nicht zuletzt dank seiner wiederholten Verwendung in der Kunst. Oh, verfluchte Ausgeburt, wie oft muss sein Kadaver noch im künstlerischen Kontext wiederbelebt werden. Hervorgekehrt für den metaphorischen Affekt! Und da sind wir wieder und beobachten seine satirische Form, seinen zunächst traurigen Ausdruck, wie er über einen Felsvorsprung geklettert ist, das Ganze im Stil des deutschen mittelalterlichen Realismus gehalten. Pelzschichten, hervorgehoben in Öl und Glanzlack, wahrscheinlich die Reminiszenz an William Holman Hunts berühmtes Gemälde Sündenbock von 1892 verspottend, oder das Maskottchen des 1. FC Köln, das einmal von gegnerischen Fans angegriffen wurde. In seinem starren Blick auf die Betrachter:innen verstärkt sich die religiöse Pose noch (implizit). Aufgebläht mit Sünde; wie ein Sündenbock oder auf andere Formate von Kunst-Böcken verweisend, oder kulturelle Böcke, erotische, mythologische, okkulte etc. So wie es auch einfach nur ein Ziegenbock ist. Dieses bestimmte Bock-Beispiel hat seine ganz eigenen Potenziale. Und die Maden (Babyfliegen) auf den Beinen des Bocks und in den Schichten seines Pelzes.
Wuff wuff wufff! „OK OK ! Und wo gehen wir jetzt hin? Ha ha ha.“ Wir wollen weiter, als eine kleine Beunruhigung entsteht: „Sind wir Geister?“, kreischen wir alle. „Sind wir Phantome? Ha ha ha!“
Was für ein Spaß! Und wieder hinaufsteigend, in einer Spirale zurück nach oben. Vorbei an den Postern; Verquickungen von Verkaufsgesprächen, Supermarktgesprächen und Politik, wo an der Wand, im ersten Stock das gemalte Porträt des Ziegenbocks sitzt, als Flachrelief in Öl gearbeitet, im Stil oder Geiste des „Bildnis des Dorian Gray“, in dem der Protagonist jung und schön bleibt, während das Bildnis altert und verfällt. Dieser alte Bock lächelt uns in seiner schnurrbärtigen Gebrechlichkeit zu.
Und in der Nähe des Bock-Gemäldes das Gemälde eines Krähenvogels, der auf einem Baumstumpf sitzt und Ameisen vom Boden aufpickt. Die Ameisen arbeiten zusammen, werden aber von einer größeren Kraft über ihnen dahingerafft.
„Wuff wuff … dieser alte Krähenvogel … wenn ich meine Zähne in seine Federn schlagen könnte! Ha! Dann würde er meine Kraft fühlen … nur ein paar Sekunden, um ihn totzuschütteln! Ha ha! Wuff wuff!“
„Oh Liebling, wie brutal! Lass ihn … lass ihn … er ist es nicht wert!“
„Wuff wuff … gib mir nur eine Minute und ich werde dafür sorgen, dass er aufhört, an unserer gemeinsamen Arbeit herumzupicken! Ha ha! Wuff wuff!“
Wuff wuff! Und schließlich, ein letzter Besuch, eine letzte Etappe auf der Reise, ein letzter Refrain, ein letztes Treffen, noch ein Kapitel, noch einen Vers, ein Gebet, eine Predigt, einen Rausch, einen Traum… Ja, zum Kino! Das Theater der Träume! Ein Verweilen in der Dunkelheit. In den Schatten. Zwischen den projizierten Bildern auf der Leinwand. Die Krähe wird kurz eingeblendet und die Ameisen…und die Fliege hat einen flüchtigen Auftritt; durchtränkt von der glühenden Hitze im ländlichen Frankreich, inmitten schmelzender Pollen, Mücken und gerinnender Zeitgeschichte. Ja, du kannst dich zurücklehnen in die gepolsterten Sitze. Ich sollte vielleicht auf dem Gang hin- und herlaufen. Während wir einen „intensiven Dialog zwischen zwei Pendlern, einer nimmt die Form einer Giacometti-Skulptur an, choreographiert auf den Bahnsteigen einer Vorstadt-Station“ ansehen. Wie sie nach dem anspielungsreichen Eierkopf suchen.
Eierkopf will seine Eier zurück!
Eierkopf will … wuff wuff!
Schweißtreibende Intensität, warm bis in die Knochen, in dein Fleisch, in deinen Schädel und deine Zähne. Wuff wuff wuff wuff!
Und nun geht’s in Wellen abwärts. Wir strömen nach draußen. Und dann plätschernd, die Treppen hinabfließend und unter der Eingangstür durchsickernd, auf die Straße … fröhliche neue Cavapools auf der Straße, quer über den Bürgersteig, in Visionen hinunter durch den Beton, unter den Pflasterstein. Sanft plätschernde Wasser.
Oh Freude!
Wuff wuff!
Text: John Russell (Übersetzung: Blandina Brösicke)
Kuratorin: Nikola Dietrich
John Russell (*1963 in London) studierte Kunstgeschichte am Goldsmiths College of Art und Bildende Kunst an der Slade School of Art und Saint Martin’s School of Art. Er war Mitbegründer der Künstlergruppe BANK, deren Mitglied er zehn Jahre lang war. Seit er BANK im Januar 2000 verließ, arbeitet Russell sowohl unabhängig und kollaborativ an der Produktion von Ausstellungen, kuratorischen Projekten und Künstlerpublikationen. Seine Arbeiten wurden in Einzelausstellungen gezeigt, unter anderem bei Bridget Donahue in New York (2021 und 2018), High Art inParis(2017), Kunsthalle Zürich (2017) und in Gruppenausstellungen in der Viborg Kunsthal, DK (2018), Gallery of Modern Art inGlasgow (2018), Galerie Crèvecoeur in Paris (2018), Irish Museum of Modern Art in Dublin (2017), Artists Space in New York (2014), The New Art Gallery Walsall, UK (2013), ICA in London (2011), Focal Point Gallery in Southend, UK (2011), The Grey Area in Brighton (2011), Kunsthalle Exnergasse in Wien, (2011), Tate Britain in London (2010) und Tate St Ives in Cornwall, UK (2009).
Unterstützt von:
Eröffnung: Freitag, 13.5.2022, 19 Uhr
Der Kölnische Kunstverein freut sich, Dala Nassers erste institutionelle Einzelausstellung Red in Tooth zu präsentieren, die ihre gleichnamige mehrteilige Installation zeigt. Sie umfasst eine Videoarbeit, Patchwork-Malereien und eine in Zusammenarbeit mit dem Soundkünstler Mhamad Safa geschaffene, neuproduzierte Soundinstallation und ist Ausgangspunkt für Nassers anhaltende Auseinandersetzung mit dekolonialen Ökologien und Verflechtungen des Menschlichen und Nicht-Menschlichen. Sie ist somit im Sinne eines Vorschlags zur Erdung zu verstehen, um wieder jene Dinge hören, riechen, sehen und spüren zu können, die durch anhaltende Praktiken des Raubbaus und koloniale Auslöschung ausgeblendet und unsichtbar gemacht wurden.
Basierend auf ihrer Arbeitsweise als material- und prozessbasierte Künstlerin kultiviert Nasser durch Abstraktion und alternative Formen der Bildgestaltung ein notwendiges Unbehagen, indem sie wieder Vertrauen in das Land, seine Flüsse und seine nicht nur menschlichen Bewohner:innen setzt. Die Arbeiten folgen dem Fluss Al Wazzani, der durch den Südlibanon in die Palästinensischen Autonomiegebiete fließt. Auf dieser zersplitterten Reise ist Nasser gezwungen, von der staatlichen Straßeninfrastruktur abzuweichen, die gebaut wurde, um uns in ihren Bahnen zu halten. Sie ist gezwungen, dem Boden, seiner Farbe und seinem Geruch, dem Plätschern des Wassers und den anderen Bewohner:innen dieses Landes, den Tieren, durch die weiten, wilden, unberührten Landstriche des Südlibanon zu folgen, die uns zum grenzüberwindenden Wazzani führen. Diese Grenze, die mit ihren natürlichen Ressourcen und ihrer Tierwelt Leben hervorbringt, ist nur teilweise für einige wenige Familien zugänglich, die in der unmittelbaren Umgebung leben – und das unter schwierigen Bedingungen. Es ist (fast) unmöglich, Zeug:in der anhaltenden schleichenden Gewalt, der Enteignung und anderer kolonialer Praktiken unter ständig wechselnden, sich verändernden und sich wandelnden Bedingungen zu werden. Nassers Beharren darauf, sich bei ihrer fortlaufenden Aufgabe, andere mögliche soziale und politische Vorstellungen zu berücksichtigen, von anderen ökologischen Signifikanten leiten zu lassen, wirft die Frage auf, wie wir ökologisches, und mehr als nur menschliches Wissen um uns herum wahrnehmen. Wie können wir unsere Beziehung zum Land, zur Tierwelt und zu anderen Lebewesen neu kalibrieren, um einen Weg zu finden, ihren unausgesprochenen Zeugnissen Gehör zu schenken? Wie können wir von ihnen lernen, die Risse der starren kolonialen Strukturen zu navigieren – sowohl den materiellen Strukturen als auch jenen der kollektiven Erinnerung(en), Geschichte(n) und Archive?
Auf eine scheinbar rituelle Intuition Bezug nehmend wurden die Malereien in die Erde um den Wazzani eingegraben, mit gesammeltem Regenwasser gewaschen und/oder in Salzwasser gekocht; sie riechen nach leidvoller Erde und tragen angesammelte Materie in sich. Sie sind geprägt von einer anderen Erinnerung, Realität und Zukunft: Jahre der Erosion, der Abtragung, des Wasserverlusts, der Verschmutzung und des erhöhten Salzgehalts, durchdrungen von einer Geschichte des natürlichen Lebens, der Ausbeutung, des Todes, des Blutes, der Gewalt und des Landraubs. Sie sind ein Versuch, dem Boden, seinen Leiden und Hoffnungen, durch jene Umstände zuzuhören, die er wirklich erlebt hat und weiterhin überlebt. Die große Patchwork-Arbeit wurde für den Vortragssaal (Riphahnsaal) neu zusammengesetzt; hängend bilden die Malereien Kaskaden von der Bühne in die Mitte des Raums, wo sie disharmonisch auf die begleitende ortsspezifische Soundinstallation treffen. Diese Soundarbeit, eine Zusammenarbeit mit dem Soundkünstler und Architekten Mhamad Safa, manipuliert die Zeitlichkeit der Umgebung durch zeitbasierte Effekte. Sie lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das Knistern der Außenaufnahmen des Flusses und seiner Umgebung, auf die Vögel, die Grillen, den Wind. Das Resultat ist eine immersive, abstrahierte visuelle, akustische und olfaktorische Konditionierung, die uns zu einer langsameren, konzentrierteren Lektüre und Wahrnehmung anregt.
Im zweiten Raum verhandelt und offenbart die Videoarbeit andere Möglichkeiten des Seins und der Beziehung, die von den komplizierten Nuancen und Komplexitäten der dekolonialen Arten, des Terrains und der Tierwelt des Gebiets gelernt werden können. Der Film wird von Wildtieren als Zeugen erzählt, deren Berichte nicht aus Worten bestehen, und wechselt zwischen bewegten Aufnahmen einer viel befahrenen Straße, von Menschen produziertem Abfall, konstruierten Grenzen, politischen Schildern, bestehenden topografischen Markierungen, die als imaginäre Linien animiert werden, den Stimmen der Bewohner:innen, toten und lebenden Tieren und langen, schönen, trostlosen Bildern der Landschaften des Südlibanon und des nördlichen Palästinensischen Autonomiegebiets. Durch den gezielten Einsatz von Bildern und Klängen lässt Nasser zuweilen ein impressionistisches Werk entstehen, das uns in eine andere mögliche Lebensweise und gelebte Realität versetzt und aus ihr herausführt.
Die Ausstellung verlangt eine multisensorische Präsenz und Auseinandersetzung, da koloniale Praktiken und Landschaften in den Räumen auf einer materiellen, olfaktorischen, akustischen und visuellen Ebene abstrahiert werden. Red in Tooth erinnert uns daran, dass wir die falschen Entscheidungen getroffen haben, dass wir den falschen Materialien vertraut haben, dass wir zu lange auf die Aussagen derer gehört haben, die keine Zeug:innn gewesen sind. Die Ausstellung offenbart uns eine Machtdynamik, die zwischen kolonialen Strukturen, Menschen, Tieren, Pflanzen, dem Fluss und dem Boden gefangen ist, und lädt uns durch Nassers subtile, aber radikale Sprache der Abstraktion ein, verschiedene Formen der Mobilität und der Beziehung zum Land zu betrachten.
Text: Reem Shadid / Übersetzung: Kathrin Heinrich
Die Ausstellung wurde kuratiert von Nikola Dietrich.
Dala Nasser (*1990 in Tyrus, lebt in Beirut, Libanon) hatte kürzlich Einzelausstellungen bei VO Curations in London und Deborah Schamoni in München (2022 und 2021). Sie nahm an einer Reihe von Gruppenausstellungen teil, darunter im Centre Pompidou in Paris (2022), in der Villa Emplain in Brüssel (2021), im Beirut Art Center (2019), im Bétonsalon – Centre d’art et de recherche in Paris (2019), bei Victoria Miro in London (2018), in der François Ghebaly Gallery in Los Angeles (2018) und bei ACT2 der Sharjah Biennale 13 (2017).
Eröffnung der Ausstellung: Freitag, 18.03.2022, 19 Uhr
Gap Year: eine Auszeit von Arbeit und Verantwortung, eine Pause, bevor es wieder losgeht – oder ein bisschen Zeit, die einem in den Schoß fällt, wenn die Gesellschaft unerwartet stehen bleibt.
Das Tempelhofer Feld ist ein weitläufiger und relativ unkontrollierter Raum, der von historischen Brüchen geprägt ist. Es diente bereits im 19. Jh. als Naherholungsgebiet, gleichzeitig aber auch als Parade- und Militärgelände, es war ein Flughafen, Massenversammlungsort während der NS-Zeit, beherbergte ein KZ sowie den ersten Fußballtrainingsplatz in Deutschland.
Loretta Fahrenholz’ Fotoserie Gap Years portraitiert Freizeitaktivitäten während der Pandemie, als das Feld spontan zum Café, Fitnessstudio, Bar, Club und Pick-up-Spot umfunktioniert wurde. Aufgenommen mittels stroboskopartiger Zeitrafferaufnahmen, die Bewegungen wie in gefrorenem Gelee festhalten, zeigen die Arbeiten der Serie Leute beim Kampfsport, beim Tischtennisspielen, Rollschuhlaufen oder bei improvisierten Raves, beim Lenken ferngesteuerter Autos, bei Open-Air-Bondage und beim Picknick. Auch eine unscharfe Nahaufnahme von Tahini, das auf einen der unbeliebten E-Scooter gegossen wird, ist darunter (ja, wir sind hier unter reizbaren Berlinern).
Die Aktualität dieser Aktivitäten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Freizeitmotiv ein Belle Époque’sches Moment der Idylle innewohnt – das, was Fahrenholz als „Kitsch“ bezeichnet. Machen wir uns keine Illusionen über Freizeitaktivitäten. Als wohldosierte Unterbrechungen des Arbeitsregimes können sie das beste Mittel sein, um aus dem Alltag auszubrechen. In einem urbanen Kontext ist die Zurschaustellung von solch beiläufig virtuosen street skills zudem bereits in eine vielschichtige visuelle Ökonomie eingeschrieben: Fahrenholz‘ Fotos zeichnen dabei sowohl den für Instagram typischen Stil des Social-Media-Selbstkonsums als auch die Heroik der Sportfotografie nach. Der soziale Kollaps während der Pandemie ermöglichte dennoch auch andere Rhythmen, eine gesellschaftliche Neuordnung auf der Mikroebene, wodurch Räume entstehen konnten, die sowohl Dystopie als auch Utopie in sich vereinen.
Der Film Happy Birthday (2022) ahmt mit seinem einzelnen Protagonisten, der ziellos über das Tempelhofer Feld wandert, die Perspektive eines Ego-Shooter-Videospiels nach. In kleinen Fenstern erscheinen Schnipsel von mit dem Handy aufgenommenen Geburtstagsgrüßen. Im weiteren Verlauf des Films verdunkelt sich die einsame soziale Choreografie, eine Nicht-Feier mit Nachrichten aus der Ferne von Freunden und Familie, die eigentlich anwesend sein sollten. Die ausdruckslose Miene des Geburtstagskindes und die Abwesenheit einer Handlung erzeugen das Gefühl von emotionalem Druck und Erwartungen, während die Luft um ihn herum von Liedern, Ermutigungen oder Beschimpfungen, geteilten Erinnerungen, zweideutigen Botschaften und existenziellen Gedankenschleifen perforiert wird.
Was ist geblieben, wo stehen wir jetzt? Wohin gehen wir von hier aus? – Diese Fragen steigen aus der Dunkelheit empor, die die Figuren in den beiden Werken von Fahrenholz umgibt. Für Henri Lefebvre ist der „Rhythmusanalytiker“ jemand, der Rhythmen als Struktur für die Erfahrung von Raum und Zeit untersucht – jemand, der auf „alle möglichen bereits bekannten Praktiken“ hört, aber vor allem „auf seinen Körper; er lernt den Rhythmus von ihm, um folglich die äußeren Rhythmen zu schätzen. Sein Körper dient ihm als Metronom.“ Was würde Lefebvres Rhythmusanalytiker aus der pandemischen Zeit machen, einer Zeit, die aus dem Gleichgewicht geraten ist? Lefebvres Vorstellung vom Körper als Metronom bekommt eine andere Bedeutung, wenn man sie mit den gleichförmigen Bewegungen des Happy-Birthday-Protagonisten und den fotografischen Experimenten von Gjon Mili aus der Mitte des 20. Jahrhunderts vergleicht, die Fahrenholz zu ihrer Gap Years-Serie inspirierten. Die neue Stroboskoptechnik ermöglichte es Mili, die Sequenzen der menschlichen Bewegungen in einem einzigen fotografischen Bild festzuhalten: Picasso, der mit Licht eine Zeichnung anfertigt, der Schritt eines Balletttänzers über die Bühne. Bei Mili handelt es sich demnach um eine Art Porträt, bei dem die Psychologie zugunsten der Geschwindigkeit reduziert oder sogar ausgelöscht wird.
In der Gegenkultur der 1960er Jahre wurde das staccatoartige Aufblitzen des Stroboskops genutzt, um die Zeit zu zerhacken und den Körper aufzulösen. Tom Wolfe beschreibt die Tanzfläche eines „Acid-Tests“ der 1960er Jahre:
Ekstatische Tänzer – ihre Hände flogen von den Armen, erstarrten in der Luft – eine schimmernde Ellipse von Zähnen hier, ein Paar gepufferte, betonte Wangenknochen dort – alles flimmerte und zerfiel in Bilder wie in einem alten Flackerfilm – ein Mann in Scheiben! – die ganze Geschichte angepinnt auf eine Schmetterlingstafel; die Erfahrung natürlich.
Die psychedelische Sensibilität für die nicht-menschliche Seite der Technologie inspirierte den Filmemacher Jonas Mekas zu der Aussage, dass „da es in [dem Stroboskop] nichts außer weißem Licht gibt, es den Punkt des Todes oder des Nichts darstellt.“
Aber das Stroboskop ist nicht nur ein visuelles Schrapnell, sondern hat auch eine theoretische Komponente, eine kristalline, urfilmische Logik: „Man könnte sogar sagen, dass es das Licht selbst dramatisiert.“ Auf dem schmalen Grat zwischen Emanzipation und Kontrolle, Stimulus und Trauma fasst das Stroboskop den modernen Ansturm auf das Nervensystem von konstant wechselnden Signalen zusammen. In den 1950er Jahren wurden Flicker-Technologien für die elektroenzephalografische Forschung eingesetzt, um zu dokumentieren, dass Veränderungen der elektrischen Rhythmen des Gehirns einen diagnostischen Wert haben. Im Klick-Regime des Nerven-Gehirns unseres digitalen Zeitalters haben solche Stimuli auch einen hohen Tauschwert.
Wie Gilles Deleuze am Beispiel von Hélène Cixous beschreibt, kann „stroboskopisches Schreiben wahnwitzige Geschwindigkeiten“ auslösen, „bei denen sich verschiedene Themen miteinander verbinden und die Wörter je nach Lesetempo und Assoziationsweise verschiedene Figuren bilden.“ So gelingt es Cixous, sich aus patriarchalen Regimen herauszuschreiben. Bei Fahrenholz wird das kalte Lichte des Stroboskops gleichermaßen zur Poetik, eine passende Ästhetik für unsere traumlose Zeit. In Abkehr von der Beschleunigung und Cixous‘ Forderung nach „mehr Körper“ präsentiert Fahrenholz stattdessen Überlegungen zur Auflösung der Normalität und zu Zäsuren in der sozialen Raum-Zeit. Tradierte Lebensrhythmen geraten ins Wanken, wenn uns in den affektiven Zwischenräumen von Körpern und Technologien eine neue Kost der (Un-)Verkörperung, der Trennung und des Zusammenseins verschrieben wird. Vielleicht können wir hier, in einer großen räumlichen und zeitlichen Leerstelle wie dem Tempelhofer Feld während der Pandemie, alles, was geschieht – oder nicht geschieht – als Ereignis anerkennen und der Zukunft anvertrauen, damit sie neue Wege beschreiten kann.
Lars Bang Larsen (übersetzt von Kathrin Heinrich)
Die Ausstellung wurde kuratiert von Nikola Dietrich.
Pure Fiction: Rosa Aiello (in Kollaboration mit Dylan Aiello), Ellen Yeon Kim, Erika Landström, Luzie Meyer, Mark von Schlegell
Shifting Theatre: Sibyl’s Mouths
An Exhibition at the End of Performance (Eine Ausstellung zum Ende der Performance)
Eröffnung: Freitag, 11. Februar 2022, 17 – 21 Uhr
Performances ab 19 Uhr
Ausstellungsende: Sonntag, 6. März 2022, 11 – 18 Uhr
Performances ab 14 Uhr
Es gilt die 2G-Regel. Keine Anmeldung erforderlich.
In der nah am heutigen Neapel gelegenen Sibyllenhöhle findet die Ich-Erzählerin von Mary Shelleys Roman Der letzte Mensch von 1826 eine Ansammlung von Prophezeiungen, die auf einzelne, lose verteilte Eichenblätter gekritzelt wurden. Diese Fragmente beschwören die Geschichte einer großen Seuche herauf, deren verheerende Kraft in den 2100er Jahren über den gesamten Erdball fegt und die Menschheitsgeschichte für immer verändert. Der letzte Mensch gilt als erste Science-Fiction-Apokalypse und handelt von Einsamkeit, Wandlungen der Intimität, kontinuierlicher Wiederholung und dem Leben am Rande einer Epoche.
In Shifting Theatre: Sibyl’s Mouths, reagieren Mitglieder des Schreib- und Performance-Kollektivs Pure Fiction – Rosa Aiello (in Kollaboration mit Dylan Aiello), Ellen Yeon Kim, Erika Landström, Luzie Meyer und Mark von Schegell – auf die derzeit unberechenbare Kulturlandschaft, indem sie die bemerkenswert relevanten Motive aus Shelleys Roman in eine Inszenierung aus Sound, Installation, Vortrag, Film und Marionettentheater überführen. Prophetische Stimmen hauchen dem Abwesenden Leben ein, verleihen ephemeren Erscheinungen und Kräften Präsenz. Symbole werden in Handlungen transformiert, Handlungen in Symbole verwandelt.
In einer Zeit, in der das räumliche Beisammensein als Gruppe nahezu unmöglich erscheint, gewinnt es an neuer Bedeutung, innerhalb dieser Trennung Zusammenhalte zu schaffen; sich gewissermaßen miteinander auseinanderzusetzen. Wie die fragmentarischen Vorhersagen aus der Sibyllenhöhle erwachen die eigens für diese Ausstellung konzipierten künstlerischen Arbeiten in unterschiedlichen Stadien zum Leben, jeweils gemäß des eigenen inneren Skripts und der eigenen Zeitlichkeit. Die unterschiedlichen Ansätze entfalten sich in einer sorgfältigen Betrachtung des Wo? und des Wer?. Durch die Mehrstimmigkeit dieses dissonanten Chors hindurch erklingt deutlich vernehmbar ein gemeinsames Anliegen: Was ist Performance?
Im Erdgeschoss des Kölnischen Kunstvereins entfaltet sich die raumgreifende Soundinstallation von Ellen Yeon Kim in regelmäßigen Abständen; eine neue Videoarbeit von Luzie Meyer wird von Marionetten der aktuellen Pure Fiction Mitglieder begleitet; und in REAL BOOKS, einem temporären Büchergeschäft ohne zeitliche oder räumliche Bindung, unterbreitet Mark von Schlegell den Besucher:innen sein Angebot, das geschriebene Wort als Zeitmaschine zu nutzen – jedoch: Alles hat seinen Preis.
Im angrenzenden Kino begibt sich Rosa Aiello (in Zusammenarbeit mit Dylan Aiello) in inzestuöse Verstrickungen und macht von den libidinösen Potentialen der Performance Gebrauch (gleichermaßen auf und neben der Leinwand). Währenddessen inszeniert Erika Landström im ehemaligen Radioraum im zweiten Stock eine Traumfabrik der räumlichen Exploration und der kognitiven Arbeit.
Am Eröffnungstag und zum Ausstellungsende findet ein Live-Performanceprogramm statt.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Nikola Dietrich.
Rosa Aiello (*1987 in Kanada) ist Künstlerin, Autorin und Filmemacherin. Ihre Arbeiten wurden in verschiedenen Institutionen und Galerien gezeigt, darunter die Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main, Cell Project Space in London, Bureau des Réalités in Brüssel, und die Stadtgalerie Bern. In jüngster Zeit hatte sie Einzelausstellungen bei DREI in Köln, Arcadia Missa in London, Lodos in Mexiko-Stadt und Southern Alberta Art Gallery in Lethbridge. Ihre Texte wurden bei Triple Canopy, Starship, CanadianArt, Art Papers, Public Journal und F. R. David veröffentlicht.
Ellen Yeon Kim (*1985 in Südkorea) studierte an der Städelschule in Frankfurt am Main in der Klasse von Peter Fischli und Simon Starling und an der Slade School of Art, UCL. Ihre ästhetisch komplexen Arbeiten enthüllen die Absurdität der vielfältigen, unvereinbaren Erwartungen, die von der Gesellschaft und ihren Institutionen an den Einzelnen gestellt werden. Sie zeigt auf, wie Traumata weitergegeben und vom Einzelnen selbst aufrechterhalten werden. Kims Praxis umfasst verschiedene Medien, darunter Theater, Stand-up-Comedy, Installationen und Zeichnungen. Sie wurde 2021 mit dem Peter-Mertes-Stipendium ausgezeichnet und ist seit 2019 Teil des Atelierprogramms im Kölnischen Kunstverein.
Erika Landström (*1984 in Schweden) ist eine Künstlerin, die in den Bereichen Skulptur, Installation und Performance arbeitet. Sie ist Absolventin der Städelschule in Frankfurt am Main und des Whitney Museum of American Art’s Independent Study Program in New York. Ihre jüngste Performance Holders wurde 2020 in der Emily Harvey Foundation in New York uraufgeführt. Sie hat u.a. bei Sternberg Press und Texte Zur Kunst publiziert und ihre Texte reichen von Lyrik bis zu Kunstkritik. Ihre Arbeiten wurden international in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.
Luzie Meyer (*1990 in Deutschland) ist Künstlerin, Dichterin, Musikerin und Übersetzerin und lebt in Berlin. Sie studierte Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt und machte 2016 ihren Abschluss in Bildender Kunst an der Städelschule in Frankfurt am Main. Ihre Arbeiten wurden international in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. 2018 wurde sie mit dem Atelieraufenthalt der Hessischen Kulturstiftung an der Cité internationale des arts in Paris ausgezeichnet. Sie erhielt ein Pre-Doktoranden-Stipendium des DiGiTal-Fonds Berlin im Jahr 2020 sowie ein Forschungsstipendium des Berliner Senats im Jahr 2021 für ihr Forschungsprojekt „Unthinking Metatheatre“.
Mark von Schlegell (*1967 in den USA) ist Romanautor, Kritiker und Künstler und lebt seit 2005 in Köln. Sein erster Roman Venusia (2005) wurde für den Otherwise Prize in Science Fiction ausgezeichnet. Auf Englisch sind seine Texte bei Semiotext(e) und Sternberg Press erschienen, auf Deutsch bei Matthes und Seitz und dem Merve Verlag. Seine visuelle Kunst wurde in den USA (New York), Südkorea (Seoul), Dänemark und in Deutschland ausgestellt. Seit 2011 ist er Gründungsmitglied des Pure Fiction Kollektivs und unterrichtete Kunst und Literatur am CalArts in Valencia, dem San Francisco Art Institute und der Städelschule in Frankfurt am Main.
Gefördert durch:
Künstler:innen:
Naama Arad, Inessa Emmer, Sabrina Fritsch, Stefani Glauber, Selma Gültoprak, Melike Kara, Ellen Yeon Kim, Rory Pilgrim, Nora Schultz, Cally Spooner, Katja Tönnissen, Mark von Schlegell
Wir freuen uns Ihnen vom 8. bis 19. Dezember 2021 zu den regulären Öffnungszeiten unsere diesjährigen Jahresgaben im Kölnischen Kunstverein zu präsentieren und laden Sie in diesem Rahmen ganz herzlich zu einem Rundgang mit der Direktorin Nikola Dietrich am Donnerstag, 9. Dezember um 17 Uhr ein. Eine Anmeldung sowie die Vorlage eines 2G-Nachweises sind erforderlich. Bitte beachten Sie unsere Hinweise zum Besuch unserer Ausstellungen und Veranstaltungen.
Die jungen wie etablierten regionalen und internationalen Künstler:innen, die den Kölnischen Kunstverein in diesem Jahr mit einer Jahresgabe unterstützen, waren zum Teil im Jahresprogramm 2021 vertreten, sind aktuelle Atelierstipendiat:innen oder dem Kunstverein in anderer Weise verbunden.
Informationen zu den Künstler:innen und den zu erwerbenden Werken finden Sie unter Aktuelle Jahresgaben.
Bestellungen der Jahresgaben 2021 können ab jenem Zeitpunkt bis einschließlich 19. Dezember schriftlich eingereicht werden. Gehen mehr Bestellungen ein, als Exemplare vorhanden sind, entscheidet das Los. Die Verlosung findet am 20. Dezember 2021 statt. Nach Auslosung werden alle Interessent:innen über das Ergebnis schriftlich benachrichtigt. Alle verbliebenen Jahresgaben stehen nach der Auslosung weiterhin zum Verkauf und können jederzeit erworben werden. Nur für Mitglieder erhältlich.
Eröffnung der Ausstellung: Freitag, 12.11.2021, 17 – 21 Uhr
Unter dem Titel Nothing is Yours, Everything Is You präsentiert Melike Kara neue Malereien in einer ortsspezifischen Installation aus Fotografien ihres persönlichen Archivs, das Familienbilder sowie weitere Quellen versammelt. Es dient als inoffizielle historische Dokumentation der kurdischen Diaspora, die weder Mittel noch Ressourcen hat, um ihre eigene Geschichte zu bewahren. Die mit Bleichmittel behandelte und verblasste Tapete im Studio des Kölnischen Kunstvereins hält Rituale und Traditionen, Erinnerungen und Erzählungen fest, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und sich gegen das Vergessen wehren.
Ihre Malereien, als Triptychon im Außenbereich zu sehen, sind gestisch-abstrakte Bildkompositionen aus hybriden Formen und Figuren und lehnen sich an die Formsprache von Textilprodukten kurdischer Stämme an, darunter eine spezielle Teppichknüpftechnik. Kara verwebt die Geschichte westlicher Malerei mit Einflüssen indigener Kulturen und hebt die überholte strikte Kategorisierung von Kunst und Handwerk auf.
Im Rahmen der Ausstellung findet am Donnerstag, 18. November 2021 um 18 Uhr eine Präsentation der Publikation WHERE WE MEET, 2021 (Ausst. Kat. Jan Kaps, Wiels Brüssel, Hg. Fabian Schöneich, Grafik: Anne Stock, 83 Seiten) mit Filmscreenings, Installation und einer Einführung von Fabian Schöneich statt.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Nikola Dietrich.
Melike Kara (*1985 in Bensberg, lebt in Köln) hatte Einzelausstellungen bei LC Queisser in Tbilisi (2021), Jan Kaps in Köln (2020), Arcadia Missa in London, im Witte de With Center for Contemporary Art in Rotterdam (beide 2019), im Yuz Museum in Shanghai (2018) und Gruppenausstellungen u.a. im Ludwig Forum in Aachen, auf der Belgrad Biennale (beide 2021), bei Wiels in Brüssel und bei blank projects in Kapstadt (beide 2020).
Gefördert durch:
Eröffnung der Ausstellung: Freitag, 12.11.2021, 17 – 21 Uhr
In Malereien, Textilarbeiten, Kinderbüchern und Installationen entwickelt Daniela Ortiz antirassistische und antikoloniale Erzählungen als Gegenentwurf zu Kolonialismen, die sich bis heute kontinuierlich fortschreiben. Sie konfrontiert jene Akteur:innen und Machtinhaber:innen, die für den institutionellen und strukturellen Rassismus verantwortlich sind und der sich u.a. in der missbräuchlichen und menschenrechtsverletzenden Kontrolle von Zuwanderung und Grenzen äußert. Die Konzentration auf handwerkliche Medien in Ortiz‘ künstlerischer Praxis entspringt ihrem zunehmendem Interesse, sich von der Ästhetik eurozentrischer Konzeptkunst zu entfernen.
Die Präsentation im Kölnischen Kunstverein ist die erste institutionelle Einzelausstellung von Daniela Ortiz in Deutschland und zeigt unter dem Titel Nurtured by the defeat of the colonizers our seeds will raise („Genährt durch die Niederlage der Kolonisatoren wird unsere Saat aufgehen“) neue, kontextspezifische Werkserien zusammen mit bestehenden Arbeiten. Begleitend erscheint das Künstlerinbuch The Rebellion of the Roots, 2021 (Hg. Kölnischer Kunstverein, Grafik: Ronnie Fueglister mit Yves Graber, 80 Seiten), das zur Eröffnung der Ausstellung vorliegt.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Nikola Dietrich.
Daniela Ortiz‘ (*1985 in Cusco, lebt in Urubamba, Perú) Arbeiten waren in internationalen Einzelausstellungen u.a. bei La Virreina. Centre de la Imatge in Barcelona (2019), Las Ataranzas in Valencia, im Middlesbrough Institute of Modern Art in Middlesbrough (beide 2017), im Van Abbemuseum in Eindhoven (2016), àngels barcelona in Barcelona (2014) sowie in Gruppenausstellungen im LUM – Lugar de la Memoria in Lima, in der KADIST art foundation in Paris, der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) in Berlin, in der Kunsthalle Wien (alle 2021) und im Kunstverein Hamburg (2020) zu sehen.
Gefördert durch:
Künstler*innen: Etti Abergel, Naama Arad und Tchelet Ram, Julie Becker, Ursula Burghardt, Noa Glazer, Omer Halperin, Gizela Mickiewicz, Oren Pinhassi, Michal Samama, Nora Schultz, Noa Schwartz, Lior Shachar
Eröffnung: Freitag, 20.8.2021, 15 – 21 Uhr
Guilty Curtain ist eine ortsspezifische Installation, die für den historischen Raum des Kölnischen Kunstvereins konzipiert wurde. Im Inneren der langen, transparenten Ausstellungshalle wird eine Gruppenausstellung die Form eines Glashauses annehmen. Die gezeigten Kunstwerke basieren auf surrealistischen Begriffen wie Verdecken und/oder Ersetzen. Diese Gesten, die von den Künstler*innen anhand verschiedener Objekte und Materialien ausgeführt werden, enden nicht in einer Sackgasse. Die Umhüllung eines Toasters in Schafwolle deckt eine verwickelte Beziehung auf – anstatt das Schaf in den Ofen zu stecken, wird der Ofen vom Schaf verschlungen. Diese Mischung aus Material, Worten und Kategorien verweist auf eine symbiotische Beziehung zwischen Körper und Objekt. Während der modernistische Versuch, die Trennung zwischen Innen und Außen aufzulösen, am Ende nur die Kluft betonte, untergräbt das, was durch die Ansammlung all dieser körperlichen Objekte offengelegt wird, die architektonische Struktur des Kunstvereins selbst; so wie man den Raum erfahren wird, ist die Natur in diesem besonderen Glashaus kein Außen mehr.
Die umfangreiche Gruppenausstellung und Veranstaltungsreihe vereint hauptsächlich aus Israel stammende Künstler*innen mit weiteren aus Polen, Deutschland und den USA. In enger Zusammenarbeit mit der israelischen Künstlerin und Kuratorin Naama Arad konzipiert, wird eine lokale und aktive Kunstszene, die sich vor allem in Tel Aviv gebildet hat, im Kölnischen Kunstverein präsentiert.
Kuratiert von Naama Arad und Nikola Dietrich
Bitte beachten Sie die Informationen zu Ihrem Ausstellungsbesuch gemäß der gültigen Coronaschutzverordnung.
Die Ausstellung wird gefördert durch:
Mit weiterer Unterstützung von:
reboot: responsiveness ist der erste Zyklus von reboot: – einem kollaborativen, zyklischen, antirassistischen und queer-feministischen Dialog zwischen performativen und forschungsbasierten Praktiken, der gemeinsam vom Kölnischen Kunstverein und Ludwig Forum für internationale Kunst, Aachen präsentiert wird.
reboot:
Konzipiert von Eva Birkenstock, Nikola Dietrich und Viktor Neumann
Kernkollektiv: Alex Baczynski-Jenkins, Gürsoy Doğtaş, Klara Lidén, Ewa Majewska, Rory Pilgrim, Cally Spooner und Mariana Valencia
Graphikdesign von Sean Yendrys
Weitere Informationen unter folgendem Link. Alle bisherigen Veranstaltungen sind im Archiv einsehbar. Kommende Termine werden über unseren Kalender bekannt gegeben.
reboot: responsiveness ist eine Kooperation von:
reboot: responsiveness wird unterstützt von:
Wir freuen uns, Sie wieder begrüßen zu dürfen. Die Ausstellung ist bis zum 4. Juli 2021 verlängert. Bitte beachten Sie die aktuellen Hinweise zu den geltenden Coronaschutzmaßnahmen.
Zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Mitteilung kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kölnische Kunstverein, Die Brücke, in der nächsten Zeit überhaupt betreten werden und die Ausstellung Seufzer überhaupt ein Publikum finden kann, ob die Ausstellung von Genoveva Filipovic eventuell nur von außen zu sehen sein wird.
„…Wenn er sich unglücklicherweise zum Sprechen zwang, sagte er nur die albernsten Dinge. Zu allem Elend sah er auch selber seine Lächerlichkeit und hielt sie für schlimmer, als sie war; doch was er nicht sah, war der Ausdruck seiner Augen; sie waren so schön und verrieten eine so glühende Seele, dass sie, wie bei guten Schauspielern, manchen Dingen einen bezaubernden Sinn verliehen, die gar keinen hatten… nur dann gelang, etwas Vernünftiges zu sagen, wenn er durch irgendein unvorhergesehenes Ereignis abgelenkt, ein Kompliment nicht erst sorgfältig vorbereitete.“
Stendhal, Rot und Schwarz
Konzept
Ich habe Kaktusse hergestellt und in eine Reihe gestellt.
Nachdem diese Arbeit beendet war, habe ich den Gesichtsausdruck jedes einzelnen Kaktusses so geändert, dass er meiner Meinung nach ein Seufzen auslösen könnte.
Da mir das als zu schwierig vorkam, habe ich nun dies gemacht: Ich habe behauptet, dass ich den Gesichtsausdruck jedes einzelnen Kaktusses so ändere, dass er meiner Meinung nach ein Seufzen auslösen könnte. Habe aber stattdessen ein Lächeln eingebaut.
Dann versuche ich mir vorzustellen wie es wäre, wenn ich diese Szene “nachspielen würde”.
Very Ralph
Der Künstler möchte keine Erklärungsbrücke
Die Ausstellung wurde kuratiert von Nikola Dietrich.
Genoveva Filipovic (*1986 in Frankfurt am Main) lebt in New York und zurzeit in Köln. Sie studierte an der HfG in Offenbach am Main sowie an der Hochschule für Bildende Künste – Städelschule in Frankfurt am Main (bis 2013). Ihre Arbeiten waren zuletzt zu sehen in der Galleria Federico Vavassori in Milan (2019), der Kunsthalle Zürich (2019), bei Goton in Paris (2018), Dead Ends in New York (2016), Vilma Gold in London (2016) sowie Neue Alte Brücke in Frankfurt am Main (2014).
Die Ausstellung wird unterstützt von:
Wir freuen uns, Ihnen ab Dienstag, 17. November die Jahresgaben 2020 vorerst online vorzustellen. Erhältlich sind exklusiv für den Kunstverein produzierte oder gestiftete Werke von jungen wie etablierten Künstler*innen:
John Baldessari, Kenneth Bergfeld, Tom Burr, Hanne Darboven, Dunja Herzog, Dorothy Iannone, Emma LaMorte, Marcel Odenbach, Lena Anouk Philipp, Luc Tuymans, Jeff Wall
Mit dem Kauf einer Jahresgabe leisten Sie einen wichtigen Beitrag zur Förderung zeitgenössischer Kunst und Künstler*innen sowie zur Arbeit des Kölnischen Kunstvereins. Dafür bedanken wir uns recht herzlich!
Bestellungen der Jahresgaben 2020 können ab dem 17. November 2020 bis einschließlich 6. Januar 2021 schriftlich eingereicht werden. Gehen mehr Bestellungen ein, als Exemplare vorhanden sind, entscheidet das Los. Die Verlosung findet am 7. Januar 2021 statt.
Bitte beachten Sie, dass die Jahresgaben ausschließlich von Mitgliedern des Kölnischen Kunstvereins erworben werden können. Die ausführlichen Bestellbedingungen finden Sie hier.
Aktuell und noch bis zum 20. Dezember 2020 bleibt der Kölnische Kunstverein gemäß der Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen geschlossen. Sobald wir unsere Türen wieder für Besucher*innen öffnen können, werden die Jahresgaben im Rahmen einer Ausstellung im 2. OG zu besichtigen sein.
Über Neuigkeiten zur Wiederöffnung und zu unserem Programm halten wir Sie über Webseite und Newsletter auf dem Laufenden.
Wir freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen!
Eröffnung am Freitag, 30.10.2020, 15 – 21 Uhr
„Ein Bild, höher noch als Engel: The Köln Concert“
Ein Text von Amelia Stein
Das Leben hat kein Außerhalb, verkünden die psyche-himmlischen Ladies of Liberty mit ihren Mikrofonen, sagen die prächtigen Kakteenbrunnen, sagt die blühende Pussyblume mit einem untrüglichen Augenzwinkern.
Dieses ist das Übereinkommen, das The Köln Concert zwischen Publikum, Werken und den Künstlerinnen inszeniert; sowohl Juliette Blightman (*1980) als auch Dorothy Iannone (*1933) komprimieren den Fluss der Zeit zu komplexen symbolischen Welten, in denen es um Liebe, Sex, Fürsorge, Arbeit, Autonomie, Freude und andere Aspekte des Selbstseins geht. Wenn ich „symbolisch“ sage, so meine ich Bilder, die allgemeine Aussagen treffen und sich zugleich auf Persönliches konzentrieren, die zum Teil mnemonisch und zum Teil prophetisch sind, in denen Frühstück und Jugendstil gleichberechtigte Existenzen führen und Geschichten den Platz der Nasen einnehmen. In The Köln Concert sind Formen, Figuren, Botschaften zu einer vielstimmigen Komposition arrangiert; das Leitmotiv, in dem Harmonien mit schrilleren Tönen kollidieren, ist von Blightman und Iannone auf eine Weise inszeniert, dass auch sie selbst ihrerseits das Zusammenspiel der Klänge zu hören vermögen.
Nicht dass alles und jedes zur Praxis gehört, aber auf alle Fälle ist dies eine Praxis, die netzförmig angelegt ist: Blightman entwickelte die Brunnen in der Garage ihres Stiefvaters, vielleicht mit der Hilfe ihrer kleinen Tochter. Es ist leicht möglich, sich ihren Besuch im Baumarkt vorzustellen, wo sie die Farbe auswählt, ein grelles, aber irgendwie zweckmäßiges Grün. Hier in der Welt der praktischen Dinge, die auch die Welt der Zweckentfremdungen, die der ausgelassenen Späße und der Notlösungen ist, sind die matten Eruptionen der Phalli davon abhängig, wie viel Energie sich von Sonnenkollektoren beziehen lässt. Während sie im Ruhezustand verharren, halten sie in Planschbecken Hof, in deren Rundungen sie unweigerlich im Chor auftreten. Irgendetwas wächst immer in Blightmans Werk heran, was bedeutet, es bedarf der sorgsamen Pflege. Das gilt für Kinder und Pflanzen, aber auch für Beschränkungen und Perspektiven, Begehren, das gefühlte Selbst: Fürsorge bedeutet Strukturen zu schaffen, bedeutet, Subjekt und Prozess als ein und dasselbe zu begreifen. „Tochter“ ist ein Prozess, ebenso „Körper“, das „Zuhause“. Die Bleistift- und Gouache-Arbeiten in Stages of Seed Development (2020) stellen sich zunächst als Fenster dar, bis die Serialität ihrer Anordnung alsdann etwas Gewichtigeres nahelegt: Phrasen womöglich, die zugleich unbestimmt und abgeschlossen sind.
Nachdrücklich sprechen, singen diese Arbeiten, bewegen sich auf ihre Inspirationsquelle zu, (Ta)Rot Pack (2016/1968-69). Iannones ekstatische Allegorie ihres Lebens mit Dieter Roth bringt eine Reihe eigener musikalischer Phrasen hervor: „This Card Brings a Brief Respite Maybe“, lässt ein nackter Roth verlauten, der auf einem trippigen Schweizer Pfad wandert. „This Card Brings What Everyone Wants“, sagen die geschmückten Liebenden in tantrischer Umarmung. Iannone hat erklärt, dass diese Fähigkeit – Dinge herbeizubringen – die einzige Art und Weise ist, wie ihre Karten das (andere) Tarot zu spiegeln vermögen. Ich hingegen würde eine andere Deutung wagen: dass nämlich ihr (Ta)Rot Pack, wie Blightmans Stages, eine Würdigung alltäglicher Konsequenzen ist – eine, die eines Anflugs kosmischen Humors nicht entbehrt.
Etwas, das mit Wanderschaft zu tun haben könnte, hier als unterschwellig hörbare Kadenz. Diese Werke entspringen Orten, die ebenso geliebt werden, wie man sie schlichtweg erträgt. Bei allem Umherreisen entspringen sie dem Bedürfnis, gelegentlich an diese zurückzukehren – etwa in die Vereinigten Staaten, wo Iannone und ihre Ladies of Liberty geboren wurden, oder auch nach Deutschland, wo Blightman zuerst ihre Tochter großzog und sie zuerst malte, und insbesondere ins Rheinland, wo Iannone mit Roth lebte und Ende der 1960er Jahre mit der Arbeit am (Ta)Rot Pack begann. Bild ist, wie man dort hingelangt: The Story Of Bern (Or) Showing Colors (1970), ursprünglich ein Künstlerbuch, in The Köln Concert als Diaporama gezeigt, liefert uns den Beweis, dass die fruchtbarsten Zeiten häufig die sind, die von Auseinandersetzungen und Kämpfen geprägt werden. Und dass am Ende, wenn wir aus all dem Chaos schließlich wieder auftauchen, wir nur rein theoretisch zu der Erkenntnis gelangen können, dass irgendwo in der Ferne Ruhm und Ehre auf uns warten.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Nikola Dietrich.
Im Laufe der Ausstellung entsteht eine gemeinsame Publikation.
Die Präsentation im Kölnischen Kunstverein ist eine Weiterführung der Ausstellung Prologue bei Arcadia Missa in diesem Jahr. Eine zweite Version der Ausstellung wird im April 2021 bei Vleeshal in Middelburg, Niederlande, eröffnen.
Dank an: Air de Paris, Romainville; Arcadia Missa, London; Peres Projects, Berlin; Galerie Isabella Bortolozzi, Berlin; Galerie Fons Welters, Amsterdam; Sammlung Alexander Schröder, Berlin; Roger Hobbs; Kentaurus, Köln
Die Ausstellung wird unterstützt von:
Mit der Einzelausstellung Meanwhile von Dunja Herzog realisiert der Kölnische Kunstverein eine umfangreiche Ausstellung der Künstlerin, die von einem Programm mit Filmvorführungen, Künstlergesprächen, Performance, Kinderworkshop und einer Stadtführung des in Köln ansässigen Frauengeschichtsvereins begleitet wird. Verschiedene Elemente und Themen unterschiedlicher Zeitlichkeiten und Hintergründe werden in einer ortsspezifischen Gesamtinstallation zusammengeführt, in der sie nebeneinander bestehen und miteinander in Bezug treten.
Die Ausstellung ist eine Weiterführung der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Kupferhandels, wie sie im Besonderen im Projekt Red Gold von der Künstlerin in Hinsicht auf die allgegenwärtige systematische Ausbeutung im globalen kapitalistischen Projekt behandelt und hier in neuen Arbeiten fortgeschrieben wird. Dabei richtet sie den Blick auf die weiter zurück liegende Vergangenheit: ins Mittelalter und die frühe Neuzeit, auf die Geschichte der Hexenverfolgung und der Kupfergewinnung in Europa (z.B. durch die Reproduktion eines Holzschnitts aus dem 16. Jh. von Georg Agricola mit der Darstellung von Minen für den Kupferabbau sowie eines Hexentanzes auf dem Blocksberg im Harz). Gleichzeitig gibt es Verweise auf Mechanismen kommerziellen Profits, um sich heute global agierende ökonomische Systeme zu vergegenwärtigen, genauso wie Betrachtungen zur Rolle der Frau und der Thematik der Reproduktion im Übergang zum Kapitalismus anzustellen. Ihre persönlichen Hintergründe als Schweizerin sind dabei wesentlich, wurde das Frauenstimmrecht in der Schweiz als eines der letzten europäischen Länder erst 1971 wirksam (im Kanton Appenzell sogar erst ab 1990), ebenso die Rolle der Schweiz in dem System der imperialen Ausbeutung.
Das Material Kupfer zählt nicht zuletzt zu einer der wichtigsten globalen Wirtschaftsindikatoren mit seinem Haupthandelsplatz in der Schweiz seit 2011; die fünf größten Schweizer Firmen sind im Rohstoffhandel tätig. In einer neuen Videoarbeit der Künstlerin wird ein geografischer sowie zeitlicher Bogen vom Copperbelt in Sambia (eine Region mit dem bedeutendsten Kupferabbaugebiet in Afrika, in der auch die Schweizer Firma Glencore Minen betreibt) zu einer Kupfermine im Harz gezogen, in der das größte Kupfervorkommen Deutschlands existierte. In 165 Metern Tiefe ist ein Film entstanden, der die vom Licht beschienene Stollendecke bei einer Fahrt aus dem Stollen heraus zeigt – einen Rückzug aus der Mine und dem dort ehemals betriebenen Raubbau an der Natur und am Menschen. Für die Künstlerin sind Fragen von Ressourcen, Mining, Ausbeutung und Handel zentral: Wie kam es, dass sich die Kulturgeschichte in Europa von einer Verehrung der Natur zu ihrer Ausbeutung wandelte und dann im Sinne einer „Logik der Ausbeutung“ von Europa aus in die ganze Welt getragen wurde?
Die Welt, in der Gewalt, Fremdherrschaft und Profit vorherrscht und unsere Beziehung zur Erde bzw. wie von ihr Gebrauch gemacht und Missbrauch betrieben wird, sieht die Künstlerin synonym dazu, wie mit Körpern und deren emotionalen „Landschaften” umgegangen wird. Je mehr Ressourcen, unter anderem eben Kupfer – ohne dieses Material ist unsere zeitgenössische digitale Welt nicht denkbar – abgebaut werden, desto mehr scheint die Suche resp. die Verbindung zu inneren Ressourcen relevant.
Diese verschieden aufgeworfenen Themen und die mit ihnen einhergehenden Geschichten, die fast immer von Gewalt sprechen, werden in der Ausstellung nicht notwendigerweise direkt benannt oder gar wiederholt. Sie werden vielmehr über die verwendeten Materialien präsent gehalten, die in Bezug zu ihrer Herkunft, ihrem Gebrauch, ihrer historischen Relevanz, ihrer Entwicklung und den Handelswegen, welche über die Zeit sehr physisch unsere Gesellschaft geprägt hat. So sind für die Ausstellung auch Körbe aus Elektroschrott-Kupferdraht in Kollaboration mit Korbflechtern aus Benin in Lagos entstanden, eine Stadt, die zu einer der größten elektronischen Dumpingsites in West-Afrika gehört; nicht nur, um das Material aus einer bestimmten Wertschöpfungskette herauszulösen und es in eine andere zu transponieren, sondern um mit den Körben auch gleichzeitig eine Hommage an die Frauen Nigerias sowie Sambias zu geben, die einen wichtigen Beitrag zur Unabhängigkeit beider Länder geliefert haben. Dies scheint besonders wichtig in Bezug wiederum zum Gebäude des Kölnischen Kunstvereins selbst, war doch dieses auch noch zur Kolonialzeit der Briten Sitz des British Councils – Die Brücke -, das nach dem Krieg eine „Brücke“ zur Welt propagierte.
Von der Künstlerin wird ein Raum geschaffen, in gewisser Hinsicht ein „Dritter Raum“, in dem ein größeres Spektrum von Geschichten in ihren komplexen Zusammenhängen von Materie, Stofflichem und ihrer Wandlung und Beziehung zu den Menschen, erfahrbar gemacht wird und andere Sichtweisen ermöglicht. Aus den zur Sprache kommenden Materialien und Pflanzen gewinnt sie gewissermaßen die Essenz der ihnen innewohnenden Energien und Logiken, macht sie physisch wahrnehmbar und verweist damit letztendlich auch auf ihre heilbringenden Fähigkeiten.
Zur Ausstellung sind zwei Editionen erschienen: Death of Nature und Sea field.
Dunja Herzog (*1976 in Basel, Schweiz) lebte im letzten Jahr in Lagos, Nigeria, wo sie einige der im Kölnischen Kunstverein präsentierten Werkkomplexe schuf. Ihre Arbeiten wurden u.a. gezeigt im Kunstverein Göttingen; Swiss Art Awards, Basel (beide 2018); Lagos Biennale, Lagos, Nigeria (2017); BLOK art space, Istanbul; 1646, Den Haag (alle 2016); New Bretagne / Belle Air, Essen und im MAXXI Museum, Rom (beide 2015)
Die Ausstellung wurde kuratiert von Nikola Dietrich.
Mit freundlicher Unterstützung durch:
In ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung nimmt sich Emma LaMorte der Architektur des Kölnischen Kunstvereins an: Mit ihren textilen Arbeiten, Performances, Texten und Installationen reagiert sie auf gegebene Räume und architektonische Strukturen, um sie zu ergänzen, zu verfremden oder zu verdecken. Im Studio, einem Projektraum mit Lichthof im zweiten Stock des Gebäudes, schafft die Künstlerin ein raumgreifendes gestepptes und genähtes Textilwerk. In Referenz auf den Ort bildet sie Elemente des realen Außenraums nach, integriert sie in eine fiktive Landschaftskulisse und schafft eine Umkehrung von Innen und Außen.
Die vierteilige Szenerie aus insgesamt elf Paneelen zeigt eine felsige Meeresküste und eine ländliche Gegend zu vier verschiedenen Tageszeiten, welche in Lichtstimmung und Farbigkeit variiert. Emma LaMortes Bildmotiven liegt eine Faszination für Gotik, Fantasie, Kitsch, Fetisch und Naturromantik zu Grunde. Die Werkserie Aussicht (2020) verzichtet auf das Figurative zugunsten einer allegorischen Landschaftsdarstellung, in der die Position der Betrachter*innen der 360-Grad-Perspektive auf einem Aussichtsturm entspricht. Die Beschäftigung mit der Aussicht – der sehnsuchtsvolle Blick nach draußen in die Ferne oder in die Zukunft – ist ein wiederkehrendes Sujet in Bildender Kunst und Literatur vor allem zur Zeit der deutschen Romantik und ruft unmittelbar die Bildwelt Caspar David Friedrichs wach.
Die auf Keilrahmen gespannten, dem Patchwork entlehnten Collagen entziehen sich einer einfachen Klassifizierung als „Textilkunst“: durch die grobe und improvisierte Verarbeitung, die Vielfalt der Formsprache, Haptik und Motivik sowie die nostalgische Ästhetik erscheinen sie ungewöhnlich raum- und zeitlos, verortet in einer Dichotomie zwischen absoluter Gegenwart und Historizität. Gleichsam zählt das textile Material zu einer Handwerkskunst, die traditionell Frauen zugeordnet ist. In der Auseinandersetzung mit Fragen der Ökonomie beleuchtet Emma LaMorte historisch geprägte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (emotionale Arbeit, Fürsorge, Haushalt, Mutterschaft auf der einen Seite, Geldarbeit, Karriere, Profilierung und Prestige auf der anderen) sowie die Diskrepanz ihrer jeweiligen Wertigkeit und Anerkennung in der Gesellschaft. In der medialen sowie inhaltlichen Beschäftigung mit tradierten, reaktionären Geschlechterrollen blickt die Künstlerin auf Mechanismen des öffentlichen sowie privaten Raums, die diese festigen und aufrechterhalten: patriarchalische Infrastrukturen, diskriminierende Arbeitsökonomien, struktureller Sexismus und Gewalt.
Zur Ausstellung im Kölnischen Kunstverein ist eine Publikation mit Texten der Künstlerin Rosa Aiello und Werkansichten der gezeigten Arbeiten erschienen (Grafik: Thomas Spallek). Das Medium Text ist integraler Bestandteil Emma LaMortes Praxis und erweitert die szenografische Kulisse aus improvisierter Stepptechnik um Erzählungen. Die Wiederholung der Wandpaneele findet sich als Stilmittel in den Texten Aiellos wieder. Der tageszeitliche Rhythmus und die Abfolge beschreiben eine häusliche Routine, in der Zeitlichkeit variabel ausgedehnt oder verkürzt wird. Emma LaMorte hinterfragt, wie Zivilisation und soziale Strukturen geformt und gestaltet – und wie sie wieder zerstört werden – und erschafft eine Zukunftsvision, die aussichtsreich oder aussichtslos sein kann.
Die Ausstellung wird begleitet von einem Rahmenprogramm aus Lesung, Lecture Performance, Kinderworkshop, Tarot Workshop und einer Radioshow von wechselnden Gästen, unter ihnen die Künstler*innen Rosa Aiello, Bitsy Knox und Benjamin Marvin, die Autorin Jessa Crispin und die Musikerin Laura Sparrow.
Emma LaMorte (*1984 in Victoria B.C., Kanada) lebt und arbeitet in Berlin. Sie erhielt einen Master of Fine Arts am Royal Institute of Art in Stockholm, Schweden. Zuletzt wurden ihre Arbeiten in Einzelpräsentationen in der Galleri Thomassen in Göteborg (2020, zusammen mit Anders Johansson), in der Gärtnergasse in Wien (2019, zusammen mit Benjamin Marvin), bei Stadium (2018) und Ashley (2017), beides in Berlin, sowie im Rahmen von Gruppenausstellungen bei Polansky in Prag (2019), Braunsfelder in Köln (2018), Sm in Marseille (2018), Hotdock in Bratislava (2018), INDUSTRA in Brno (2018) und Decad in Berlin (2018) gezeigt.
Die Ausstellung ist Teil von Kanadas Kulturprogramm als Ehrengast der der Frankfurter Buchmesse 2020. Sie wird unterstützt durch das Canada Council for the Arts und die Regierung von Kanada.
Kuratorin: Miriam Bettin
Mit freundlicher Unterstützung von:
Eröffnung: Freitag, 14. Februar, 19 Uhr
21 Uhr Filmvorführung Tony Conrad “The Flicker”, 1966, 16mm-Film, s/w, 30 Min.
Tony Conrad (1940-2016) ist Experimentalkünstler und gilt als Schlüsselfigur für Medienkünstler wie Tony Oursler oder Mike Kelley. Er war als Violinist einer der Mitbegründer der Minimal Music und zusammen mit La Monte Young und John Cale Pionier von Drone-Musik. Als zentrale Figur der Avantgarde, dessen Karriere sich über sechs Dekaden spannt, strahlt sein Werk über Amerika hinaus und wird mit dieser Ausstellung einem europäischen Publikum nach seiner Teilnahme an der documenta 5 wieder in seiner Vielschichtigkeit vergegenwärtigt werden. Mit seinem ersten Film “The Flicker” (1966) schuf er eine Ikone des strukturellen Films. Seine musikalische Arbeit – in Komposition, Performances, selbst hergestellten Musikinstrumenten – ist unweigerlich mit seinem Werk als bildender Künstler verbunden.
Der Kölnische Kunstverein realisiert diese erste groß angelegte Ausstellung, Performance- und Musikreihe in Deutschland, die Tony Conrads künstlerische Arbeit ehrt. Sie folgt einer Retrospektive, die 2018 und 2019 in der Albright-Knox Gallery, Buffalo, im MIT List Visual Arts Center und Institute of Contemporary Art at the University of Pennsylvania ausgerichtet wurde. Als zentrale Figur der Avantgarde erreichte Conrad nicht nur Anerkennung durch seine Vorreiterrolle mit Beiträgen als Violinist zur Minimalistischen Musik und zum Strukturellem Film in den 1960ern, er war auch tonangebend für die unterschiedlichsten kulturellen Bereiche, Rockmusik und öffentliches Fernsehen mit eingeschlossen. Conrads erster Film “The Flicker” (1966), ein stroboskopisches Experiment, das für seinen Angriff auf das filmische Medium und die Sinne seines Publikums berühmt ist, führte bald zu Projekten, in denen er Film als skulpturales und performatives Material behandelte. In “Sukiyaki Film” (1973) brachte Conrad beispielsweise kurz angebratenen Film auf die Leinwand und in seinen “Yellow Movies” von 1972/73 strich er Papieroberflächen mit billiger Farbe und präsentierte sie als sich langsam verändernde Filme. Er bahnte den Weg für Drone-Musik und beeinflusste die Gründung von Velvet Underground. Conrad war zugleich ein kämpferischer Kritiker der Medien und ihrer Überwachungswerkzeuge. In den achtziger Jahren kritisierten seine ehrgeizigen Filme über Machtverhältnisse in der Armee und in Gefängnissen, was er als aufkommende Kultur der Überwachung, Kontrolle und Eindämmung empfand. Seine kollaborativen Programme, für das öffentliche Fernsehen in den 1990er Jahren geschaffen, machten ihn zu einer einflussreichen Stimme innerhalb der Gesellschaft (ersichtlich in der Installation “Panopticon” von 1988 oder “WiP”, mit Filmen von Tony Oursler und Mike Kelley, 2013). Conrad war Meister des „Crossovers“, der Überbrückung und Verbindung verschiedener Disziplinen, sodass es unmöglich scheint die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Kunst, Film, Musik und Performance in zeitgenössischer Praxis ohne ihn zu denken. Außerdem war er leidenschaftlicher Pädagoge – seine 40jährige Tätigkeit als Professor am Medien-Department in der University in Buffalo provozierten und inspirierten Generationen von Studierenden bis heute.
Die Ausstellung wurde kuratiert von Nikola Dietrich.
Sie ist eine Kooperation zwischen Kölnischem Kunstverein, Köln und dem MAMCO, Genf. Sie basiert auf der retrospektiven Ausstellung, die von der Albright-Knox Art Gallery, Buffalo, New York 2018/19, organisiert wurde.
Die Ausstellungsarchitektur im Kölnischen Kunstverein entstand in Zusammenarbeit mit Milica Lopicic.
Das wiederverwendbare Stellwandsystem wurde ermöglicht durch die Imhoff Stiftung.
Weiterer Dank an Galerie Buchholz, Berlin/Köln/New York und Greene Naftali, New York.
Künstler*innen: Martin Assig, Olga Balema, Gerry Bibby, Juliette Blightman, Enrico David, Bradley Davies, Simon Denny, Ayşe Erkmen, Michael Krebber, Mischa Kuball, Puppies Puppies (Jade Kuriki Olivo), Morgaine Schäfer, Julia Scher, Gregor Schneider, Evelyn Taocheng Wang, Rachel Whiteread
Bitte beachten Sie, dass die Jahresgaben exklusiv von Mitgliedern des Kölnischen Kunstvereins erworben werden können. Einen Mitgliedsantrag finden Sie hier:
Ausstellung der Jahresgaben: 7. – 15. Dezember 2019
Eröffnung: Freitag, 6. Dezember 2019, 19 Uhr
Wir freuen uns Ihnen neue, eigens für den Kunstverein geschaffene Werke zusammen mit früheren Jahresgaben zu präsentieren, darunter Unikate und limitierte Auflagen. Viele der vertretenen Künstler*innen waren zuletzt mit Arbeiten in der Gruppenausstellung Maskulinitäten. Eine Kooperation von Bonner Kunstverein, Kölnischem Kunstvereins und Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf zu sehen. Ebenfalls mit dabei: über den Kunstverein zu erwerbende Editionen des Salon Verlags.
Geänderte Öffnungszeiten während der Jahresgaben-Ausstellung: durchgehend Mo – So von 11 – 18 Uhr, Eintritt frei
Mit Maskulinitäten schließen sich der Bonner Kunstverein, der Kölnische Kunstverein und der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf zu einem internationalen Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Publikationsprojekt zusammen, um Konzepte von Maskulinität mit und aus der zeitgenössischen Kunst heraus zu untersuchen. Gemeinsam wird der Frage nachgegangen, wie eine feministische Ausstellung über Männlichkeit aussehen könnte.
Vor dem Hintergrund vorherrschender reaktionärer Manifestationen von Männlichkeit
sowie einer uneingeschränkten Kritik an ihren hegemonialen Ausformungen zielt die Zusammenarbeit darauf ab, patriarchale und heteronormative Geschlechterkonzeptionen zu destabilisieren. Anhand von künstlerischen Produktionen, Performances, Theaterstücken, Lesungen, Vorträgen, Screenings und Workshops werden alternative Handlungsräume aufgeworfen, um performative und transgressive Konzeptionen von Identität, Geschlechtlichkeit, Sexualität und Körper in den Vordergrund zu rücken.
Alle drei Kunstvereine haben in der Vergangenheit verschiedene feministische und queere Ausstellungsprojekte präsentiert. Während diese darauf ausgerichtet waren männlich dominierte Repräsentation von Weiblichkeit in Kunst- und Kulturgeschichte aus der Narration einer männlichen Autorschaft zurückzufordern, sind es bei Maskulinitäten wiederum Entwürfe und Konzeptionen des Männlichen, die zur Disposition gestellt werden: die Veränderungen tradierter Ausformungen von Männer- und Körperbildern, damit verbundene Macht- und Sichtbarkeitspolitiken sowie schließlich deren Verhandlung und Dekonstruktion in der Kunst der 1960er Jahre bis heute. Ausgehend von künstlerischen und kunsttheoretischen Perspektiven unterschiedlicher Zeitlichkeiten wird Männlichkeit als einem uneindeutigen, pluralistischen Konzept begegnet, das historisch bedingt, veränderlich und gesellschaftlich konstruiert ist.
Kuratiert von: Eva Birkenstock, Michelle Cotton und Nikola Dietrich.
Künstler*innen der Ausstellung
Vito Acconci, The Agency, Georgia Anderson & David Doherty & Morag Keil & Henry Stringer, Lutz Bacher, Louis Backhouse, Olga Balema, Lynda Benglis, Judith Bernstein, Gerry Bibby, Alexandra Bircken, Juliette Blightman, Patricia L. Boyd, Anders Clausen, Keren Cytter, Enrico David, Vaginal Davis, Jonathas de Andrade, Jimmy DeSana, Nicole Eisenman, Hedi El Kholti, Jana Euler, Hal Fischer, Andrea Fraser, keyon gaskin mit Samiya Bashir, sidony o‘neal und Adee Roberson, Eunice Golden, Philipp Gufler, Richard Hawkins, Jenny Holzer, Hudinilson Jr., Allison Katz, Annette Kennerley, Sister Corita Kent, Mahmoud Khaled, Jürgen Klauke, Jutta Koether, Tetsumi Kudo, Klara Lidén, Hilary Lloyd, Sarah Lucas, Robert Morris, Shahryar Nashat, D’Ette Nogle, Henrik Olesen, D.A. Pennebaker & Chris Hegedus, Josephine Pryde, Puppies Puppies (Jade Kuriki Olivo), Carol Rama, Lorenzo Sandoval, Julia Scher, Agnes Scherer, Bea Schlingelhoff, Heji Shin, Katharina Sieverding, Nancy Spero, Anita Steckel, Evelyn Taocheng Wang, Carrie Mae Weems, Marianne Wex, Martin Wong, Katharina Wulff
Bonner Kunstverein
Lynda Benglis, Judith Bernstein, Alexandra Bircken, Patrica L. Boyd, Jana Euler, Hal Fischer, Eunice Golden, Richard Hawkins, Jenny Holzer, Hudinilson Jr., Allison Katz, Mahmoud Khaled, Hilary Lloyd, Sarah Lucas, Robert Morris, D’Ette Nogle, Puppies Puppies (Jade Kuriki Olivo), Bea Schlingelhoff, Anita Steckel
Kuratiert von: Michelle Cotton
Kölnischer Kunstverein
Georgia Anderson & David Doherty & Morag Keil & Henry Stringer, Louis Backhouse, Olga Balema, Gerry Bibby, Juliette Blightman, Anders Clausen, Enrico David, Jonathas de Andrade, Jimmy DeSana, Jenny Holzer, Hedi El Kholti, Hilary Lloyd, Sarah Lucas, Shahryar Nashat, Puppies Puppies (Jade Kuriki Olivo), Carol Rama, Bea Schlingelhoff, Heji Shin, Evelyn Taocheng Wang, Carrie Mae Weems, Marianne Wex, Martin Wong, Katharina Wulff
Kuratiert von: Nikola Dietrich
Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
Vito Acconci, The Agency, Keren Cytter, Vaginal Davis, Nicole Eisenman, Andrea Fraser, keyon gaskin mit Samiya Bashir, sidony o´neal und Adee Roberson, Philipp Gufler, Jenny Holzer, Annette Kennerley, Sister Corita Kent, Jürgen Klauke, Jutta Koether, Tetsumi Kudo, Klara Lidén, Henrik Olesen, D.A. Pennebaker & Chris Hegedus, Josephine Pryde, Puppies Puppies (Jade Kuriki Olivio), Lorenzo Sandoval, Julia Scher, Agnes Scherer, Bea Schlingelhoff, Katharina Sieverding, Nancy Spero, Evelyn Taocheng Wang
Kuratiert von: Eva Birkenstock
Programm am Eröffnungswochenende:
Eröffnung am Samstag, 31. August 2019
14.30 Uhr Bonner Kunstverein
17.00 Uhr Kölnischer Kunstverein
19.30 Uhr Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
Samstag, 31. August
Legal Gender, Wiederaufführung der Performance von Anita Steckel
ab 14.30 Uhr, Bonner Kunstverein
Parallel Lines, Performance von Gerry Bibby mit Ellen Yeon Kim
ab 17 Uhr, Kölnischer Kunstverein
Naked Self (Transitioning) (21 Months On Hormone Replacement Therapy)
Nude Performance von Puppies Puppies (Jade Kuriki Olivo)
17.30 – 18.30 Uhr, Kölnischer Kunstverein
20 – 21 Uhr, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
Sonntag, 1. September
Tectonic Mnemonic, eine Plattform für Lesungen mit Gästen, eingeladen von Gerry Bibby
15 Uhr, Kölnischer Kunstverein
Mit freundlicher Unterstützung von: